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Das Jobinterviewknackerbuch

Das Jobinterviewknackerbuch

Titel: Das Jobinterviewknackerbuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Jacoby , Florian Vollmers
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Sie sind in der Regel die Härteren«, hat Arno Luik im Jahr 2007 im
Stern
festgestellt.
    |88| Das gängige Prinzip aber heißt: »Bürgerkind sucht Bürgerkind.« Michael Hartmann jedenfalls hat in einer Studie herausgefunden, dass Firmenchefs innerhalb von 30 Sekunden sagen können, »ob der neue Mann zu ihnen passt oder nicht«. Allein auf der Grundlage dessen, »wie er auftritt, welches Vokabular er verwendet, wie er sich vorstellt«. Also auf Grundlage seines Habitus.
    Was heißt hier eigentlich Habitus?
    Alles, was unser Leben ausmacht, lässt sich als Zeichen für ein bestimmtes Milieu deuten – man könnte auch sagen: Eine bestimmte Statusgruppe. Das fängt an bei der Kleidung (Anzug von der Stange oder vom Maßschneider), geht weiter beim Auto (kleine Rostschleuder oder großer SUV), unseren Wohnungen (Selbstbaumöbel oder Exklusivdesign), sportlichen Betätigungen (Fußball oder Golf), kulturellen Betätigungen (Popcornkino oder Wagner-Festspiele), Reisen (Pauschal nach Malle oder ganz individuell nach Dubai), der bevorzugten Lektüre, Musik und Lieblingsspeise. Bei all diesen Eckdaten unseres Lebensstils handelt es sich nicht einfach um unseren individuellen Geschmack, sondern um feine symbolische Unterschiede, mit denen wir uns in den sozialen Kartoffelacker der Gesellschaft einpflanzen – ob wir es wollen oder nicht. Personaler haben einen feinen Sensor für diese Symbole. Sie erspüren Ihren Lebensstil und leiten die Einschätzung Ihrer Persönlichkeit aus Ihrem Stil ab.
    Das Interview als Initiationsritus
    Sicher haben Sie schon einmal von Aufnahmeriten gehört, die in bestimmten Jugendkulturen, bei archaischen Völkern, in den Kirchengemeinden oder auch auf mittelalterlichen Ritterburgen immer dann |89| vollzogen werden, wenn jemand von einem Status in den nächsten wechselt. Vom Jungen zum Mann – das ist der Klassiker. Dabei kann es recht derb zugehen: Schlafentzug, Angst und Demütigungen werden dem Novizen zugemutet – und mutet er sich selbst zu: um zu zeigen, dass er die Erwartungen der aufnehmenden Statusgruppe zu erfüllen bereit ist.
    Wir unterstellen, dass Vorstellungsgespräche vielerorts auch nichts anderes sind als Aufnahmeriten. Es geht etwas weniger wild zu als in archaischen Clans, aber vieles ist doch ähnlich:
Der Kandidat wird gezielt einer Situation ausgesetzt, in der er seine Unterlegenheit zu spüren bekommt.
Er wird vorgeführt. Dabei sitzt er häufig nicht nur einem Personaler gegenüber, sondern einem ganzen Gremium, das ihn mit fachkundigen Blicken taxiert.
Im Job-Interview muss er zwar nicht konkret seine Hosen herunterlassen, aber im übertragenen Sinne doch. Die Situation wird betont sachlich aufgezogen, doch unter dem Deckmantel der Sachlichkeit handelt es sich doch um eine peinliche Situation, die der Anwärter irgendwie überleben muss – und zwar mit Contenance.
Er empfindet Scham. »Die Schamangst vor einem Versagen in der Aufnahmeprozedur wird dem Probanden auferlegt, weil sie die implizite Anerkennung der gruppenspezifischen Normen enthält«, erklärt Sighard Neckel in
Status und Scham
.
    Für Sie heißt das: Kein Wunder, dass Sie häufig mit sehr unangenehmen Gefühlen in ein Vorstellungsgespräch hineingehen. Die Situation hat tatsächlich das Potenzial, Sie zu beschämen! Sie werden im Laufe der Bewerbungsprozedur entweder sozial eingeschlossen in Ihre neue Statusgruppe oder Sie werden ausgeschlossen. Das geschieht zwar alles ganz subtil und höflich, außerdem noch abgepolstert durch das AGG – die Erfahrung ist aber trotzdem extrem unangenehm.
    Im Falle einer Ablehnung knallt man Ihnen die Tür vor der Nase zu und sagt auch noch, daran seien Sie selbst schuld. Sie hätten den Anforderungen |90| eben nicht genügt. Das tut weh! Und deshalb finden wir es so wichtig, dass Sie sich die Zusammenhänge klarmachen. Es ist die Struktur unserer Wirtschaft und Gesellschaft, die solche Brutalitäten hervorbringt.
    Nicht Sie persönlich haben versagt – nein! Sie brauchen nicht zur Therapie! Sie müssen sich nicht in zig Seminaren umerziehen lassen. Sie haben für Personalerstatusspürnasen schlicht und ergreifend nicht »richtig gerochen«. Ärgerlich.
    Abreagieren und weitermachen!
    Wollen Sie jetzt eine Ratgeberbuch-Übung absolvieren? Wir haben eine: Stellen Sie sich auf einen Stuhl und brüllen dreimal Ihr absolut unbürgerlichstes Lieblingsschimpfwort.
    Und dann denken Sie daran, warum Sie den Job eigentlich haben wollten: Müssen Sie Ihre Familie ernähren?

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