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Das Joshua Gen (German Edition)

Das Joshua Gen (German Edition)

Titel: Das Joshua Gen (German Edition)
Autoren: Andreas Krusch
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Mann, der neben Vince saß und kicherte wie ein kleines Mädchen. Der Pfleger beendete schweigend seine Runde.
    »Ich möchte lieber wissen, was die mir verpassen«, bemerkte Vince.
    »Krieg ich raus, Kumpel, versprochen.«
    Er sah in das lächelnde rundliche Gesicht. Es war rosig, ohne Falten, doch die Haare darüber schon ergraut. Wie alt mochte dieser Patient sein? Wie lange war er schon hier? Die Augen jedenfalls wirkten uralt. Sie mussten vieles gesehen haben, ob es nun existierte oder nicht.
    Vince blickte wieder in den Kaffeebecher. »Die Pillen, die sie mir geben, sie vernebeln mein Gedächtnis, meine Erinnerungen. Ich komme kaum noch zu mir.«
    Sein Tischnachbar nickte wissend. »Am besten, du schweigst über das, was dich da oben beschäftigt.« Er tippte mit einem seiner Mullfinger an seine glänzende Stirn. »Dann sind die zufrieden, dann gibt’s weniger Pillen.«
    »Nein, ich muss darüber reden – es ist wichtig, dass ich mich erinnere!«
    Das rosige Gesicht kam ganz nahe, die aufgesprungen Lippen flüsterten. »Vielleicht wollen die hier aber nicht, dass du dich erinnerst. Vielleicht bist du zu gefährlich. Was hast du getan, Kumpel?«
    Es kam wie ein Blitz. Plötzlich wusste Vince es. Die geistige Klarheit überwältigte ihn.
    »Das Kind Gottes starb in meinem Kofferraum ...«
    Der andere Mann nickte voller Verständnis. »Dann haben die allen Grund, dir den Mund zu stopfen.«
    »Meine Anwältin will, dass ich alles der Reihe nach erzähle. Sie macht sich Notizen, sie braucht einen roten Faden. Damit holt sie mich hier raus. Denn ich muss hier raus, verstehst du, ich muss!«
    »Klar, Kumpel, versteh ich. Jetzt trink deinen Kaffee.«
    Vince beruhigte sich etwas. Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Im Neonlicht der Decke sah er die Worte schweben. »Ich brauche Papier.«
    »Die Bastelgruppe hat Papier ohne Ende.«
    »Papier und einen Stift.«
    »Stifte sind verboten, Kumpel. Verschwinden oft in Pulsadern von Patienten. Oder im Körper eines Pflegers.« Es kicherte an Vince’ Ohr.
    »Aber ich brauche diesen Stift! Ich muss die Worte aufschreiben, solange ich mich an sie erinnere, solange mein Kopf klar ist!«, erklärte er aufgewühlt.
    Vor Vince’ Augen erschien eine metallene Büroklammer. Die verbundenen Finger bogen sie auseinander. Dann drückte der Mann mit dem rosigen Gesicht das spitze Ende des Drahtes tief in seine Hand. Der Mullverband färbte sich rot, und der Mann lächelte. »Wenn es so wichtig ist, Kumpel, schreib es mit deinem Blut ...«

    »Das muss aufhören, Vince.«
    Er saß auf seinem Bett und blickte betreten zu Boden.
    »Oder möchten Sie wieder fixiert werden? Wegen eines Vermerks über suizidale Tendenz in Ihrer Patientenakte?«
    »Nein ...« Nervös strich er über den weißen Verband an seiner linken Hand. »Aber ich musste das da aufschreiben.«
    Margaret Linney hielt das Blatt Papier mit spitzen Fingern. Noch einmal las sie die großen roten Worte darauf, die Worte aus Blut.
    Der vierte Junge ... verschwunden ... Ben war der erste ... Finde den Fünften. Er ist mein Kind ... in der Mitte des Kreuzes.
    Sie legte das Papier zurück auf den Tisch vor dem Bett. »Ist das alles, was Nonas Vater in der Klinik sagte?«
    Vince nickte.
    »Finde den Fünften. Er ist mein Kind ...« Nachdenklich pochte seine Anwältin mit der Spitze des Bleistiftes auf ihrem Block herum. »Von einem Bruder Nonas hatte Pater Simon doch gar nichts erzählt.«
    »Er hat uns damals vieles nicht erzählt, Mag.«
    »Eine interessante Notiz bleibt es jedenfalls. Doch für Ihre nächsten nehmen Sie bitte das.«
    Aus ihrer alten Aktentasche zog Margaret einen neuen Notizblock und eine Packung schwarze Filzstifte. Sie legte beides vor ihn hin. »Keine Sorge, Stifte mit weichen Spitzen haben sie erlaubt, und diesen Tisch, an dem Sie schreiben werden. Ein Stuhl für mich ist auch schon unterwegs. Langsam wird es hier richtig gemütlich.«
    Er blickte sie ernst an.
    Ihre Wangen röteten sich leicht. »Ich ... ich hätte das letzte wohl nicht sagen sollen. Tut mir leid.«
    »Nein, Sie haben ja recht. Ein ans Bett gefesselter Mann in einer leeren weißen Isolierzelle war nun wirklich kein Date mit dem man punkten kann.« Vince lachte. Und die Mundwinkel seiner Anwältin hoben sich zu einem Lächeln.

    Sein Taxi stand noch da. Alle Reifen waren intakt und keine Scheibe eingeschlagen. Erstaunlich, nach einer Nacht in der Bronx, dachte Vince. Wer andere bestiehlt, bestiehlt sich selbst . War es der Aufkleber am
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