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Das Jüngste Gericht: Die Wissenschaft der Scheibenwelt 4 (German Edition)

Das Jüngste Gericht: Die Wissenschaft der Scheibenwelt 4 (German Edition)

Titel: Das Jüngste Gericht: Die Wissenschaft der Scheibenwelt 4 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett , Jack Cohen , Ian Stewart
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Weg. Der bescheidene Torus, in vielerlei Hinsicht der einfachste nichttriviale topologische Raum, spielt eine Schlüsselrolle. Wir haben den flachen Torus erwähnt, bei dem wir die gegenüberliegenden Ränder eines Quadrats zusammenkleben. Quadrate haben den Vorteil, dass sie mit Gitternetzen aus kleineren Quadraten versehen werden können, die etwas Quantenhaftes an sich haben, weil sie diskret sind – sie treten in kleinen Klumpen auf. Aber man kann flache Tori auch aus anderen Formen bilden, nämlich aus Rechtecken.
    Die Form eines Rechtecks kann mit einer Zahl erfasst werden, die »Modul«* [* Der Modul. Deutsch mitunter auch »Model«. – Anm. d. Übers. ] genannt wird und lange, schmale Rechtecke von kurzen, breiten unterscheidet. Ein anderer Modul ergibt einen anderen Torus. Obwohl die solcherart erzeugten Tori flach sind, haben sie unterschiedliche Metrik. Sie können nicht so aufeinander abgebildet werden, dass alle Abstände gleich bleiben. Die Wirkung der Gravitation in Torusland besteht nicht in der Erzeugung von Gravitonen: Sie verändert den Modul, die Form des Raumes.
    Steven Carlipp hat gezeigt, dass es in Torusland ein Gegenstück des Urknalls gibt. Er beginnt aber nicht mit einer punktförmigen Singularität. Vielmehr beginnt er als Kreis, ein Torus mit dem Modul null. Im Lauf der Zeit nimmt der Modul zu, und der Kreis dehnt sich zu einem Torus aus. Anfangs sieht er wie ein Fahrradschlauch aus und entspricht einem langen, dünnen Rechteck, er nähert sich einem Quadrat, dem Standardmodell für einen flachen Torus, der aufgebogen eher wie ein Bagel aussieht. Der Urknall in Flächenland scheint also auf lange Sicht auf A. Quadrat hinzuarbeiten. Der springende Punkt ist, dass Carlipp den ganzen Prozess »quantelte«, das heißt, er formulierte ein quantenmechanisches Analogon. Das erlaubt es theoretischen Physikern, die Beziehung zwischen Quantentheorie und Gravitation in einem exakten mathematischen Kontext zu erforschen.
    Torusland trägt viel dazu bei, den Prozess der Quantelung einer Gravitationstheorie zu erhellen. Was dabei anscheinend auf der Strecke bleibt, ist die Zeit. In der Quantenwellenfunktion von Torusland kommt die Zeit überhaupt nicht vor.
    In Kapitel 6 von Darwin und die Götter der Scheibenwelt haben wir Julian Barbours Buch Das Ende der Zeit erörtert, welches annimmt, dass in einer Quantenwelt keine Zeit existiert, weil es nur eine universelle Wellenfunktion gibt, die keine Zeit enthält. Das Buch wurde weithin in dem Sinn interpretiert, dass es uns sagt, die Zeit sei eine Illusion. Es könne »nur ein für alle Mal gültige Wahrscheinlichkeiten« geben, schrieb Barbour. Wir argumentierten, dass unser Universum neben der universellen Wellenfunktion eine andere grundlegende quantentheoretische Eigenschaft besitzt, die beschreibt, wie wahrscheinlich Übergänge zwischen verschiedenen Zuständen sind. Diese Übergangswahrscheinlichkeiten zeigen, dass manche Zustände näher beieinanderliegen als andere, und das erlaubt uns, die Ereignisse in einer natürlichen Reihenfolge anzuordnen und derart einen sinnvollen Begriff von Zeit wiederherzustellen.
    Torusland unterstützt diese Idee, denn es besitzt mehrere sinnvolle Begriffe von Zeit, obwohl seine Quantenwellenfunktion zeitlos ist. Die Zeit kann gemessen werden, indem man das Äquivalent von GPS -Satelliten in Torusland benutzt, die Längen der Kurven zwischen seiner Version des Urknalls und dem »Jetzt«, oder auch anhand der gegenwärtigen Größe des Universums. Torusland ist keineswegs zeitlos. Man muss es nur richtig betrachten. Die Torusland-Zeit führt sogar zu einem faszinierenden Gedanken: Möglicherweise ist die Zeit eine Folge der Gravitation.
    Eine andere Idee, an der Torusland Zweifel weckt, ist das holografische Prinzip. Es besagt, dass der Quantenzustand des gesamten der Beobachtung zugänglichen Universums auf den Ereignishorizont jedes beliebigen Schwarzen Loches »projiziert« werden kann – auf die Sphäre, von der nichts mehr nach draußen entkommen kann –, sodass die drei Raumdimensionen des Universums auf nur zwei reduziert werden können. Es ist, als machte man ein Foto mit der erstaunlichen Eigenschaft, dass das Foto alle Aspekte der Wirklichkeit getreulich abbildet. Wenn Ihnen auf der Rundwelt ein Foto gezeigt wird, auf dem ein Dutzend Schafe auf einer Wiese liegt, können Sie nicht sagen, ob hinter manchen Schafen Lämmer liegen. Doch auf diesem Ereignishorizont-Foto des Universums kann nichts verborgen

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