Das Jüngste Gericht: Die Wissenschaft der Scheibenwelt 4 (German Edition)
weiterbrennt.
Der Stern brennt mit exakt der Temperatur, die benötigt wird, um die Energiedifferenz zu kompensieren. Das sieht nach einer noch beeindruckenderen Übereinstimmung aus. Vergessen Sie den Kohlenstoff: Etwas viel Fundamentaleres ist im Gang. Wären die Grundkonstanten des Universums anders, dann verschwände die präzise abgestimmte Resonanz, der Rote Riese ginge aus, und es gäbe nicht genug Kohlenstoff, um daraus Fred Hoyle, Adam und Eva, Sie oder die Katze entstehen zu lassen.
Doch auch dieses Argument ist fehlerhaft. Wenn man die Grundkonstanten verändert, dann wirkt sich das sowohl auf den Roten Riesen als auch auf die Kohlenstoff-Resonanz aus. Weil nämlich Helium und Beryllium der »Brennstoff« des Sterns sind, stellen sich die Kernreaktionen des Sterns automatisch auf die Temperatur ein, die den Brennstoff zum Brennen bringt. Ist es nicht erstaunlich, dass ein Kohlefeuer mit genau der Temperatur brennt, die Kohle brennen lässt? Nein. Wenn Kohle überhaupt brennt, dann sorgt Rückkopplung dafür, dass die Energiebalance der Reaktion automatisch aufgeht. Es mag erstaunlich sein, dass unser Universum so reich ist, dass Kohle brennen kann oder Rote Riesen scheinen können, aber das ist etwas ganz anderes als Feinabstimmung. In einem komplexen Universum, wie immer es funktionieren mag, können komplexe Objekte entstehen, und sie werden bestens an die Regeln dieses Universums angepasst sein, denn darum sind sie entstanden. Das heißt aber nicht, dass das Universum eigens ausgewählt oder erschaffen wurde, um solche Objekte entstehen zu lassen. Oder dass diese Objekte unwahrscheinlich oder besonders wären.
Die Kohlenstoff-Resonanz eines Roten Riesen und die Energetik brennender Kohle sind Rückkopplungssysteme. Wie ein Thermostat stellen sie sich automatisch darauf ein weiterzulaufen. Diese Art Rückkopplung ist äußerst weit verbreitet und gar nicht bemerkenswert. Eigentlich nicht bemerkenswerter als die Tatsache, dass unsere Beine gerade lang genug sind, um bis zum Boden zu reichen. Die Schwerkraft zieht uns hinab, der Boden drückt uns hinauf, und beide zusammen bringen uns an genau den Ort, wo unsere Füße und der Boden wunderbar aufeinander abgestimmt sind.
Bei den physikalischen Konstanten liegen die Fragen tiefer. Das heutige Bild der Grundlagenphysik beruht auf einer Reihe mathematischer Gleichungen, die alle ziemlich elegant und hübsch sind. Zu diesen Gleichungen gehören jedoch auch etwa dreißig besondere Zahlen, so zum Beispiel die Lichtgeschwindigkeit und die Feinstrukturkonstante, die die Kräfte regiert, welche die Atome zusammenhalten. Diese Zahlen scheinen ziemlich willkürlich zu sein, aber sie sind ebenso wichtig wie die Gleichungen. Unterschiedliche Werte dieser Grundkonstanten führen zu sehr unterschiedlichen Lösungen der Gleichungen – zu unterschiedlichen Arten von Universen.
Die Unterschiede sind nicht nur die offensichtlichen: ob die Schwerkraft stärker oder schwächer ist, das Licht sich schneller oder langsamer ausbreitet. Sie können dramatischer sein. Man braucht die Feinstrukturkonstante nur ein klein wenig zu verändern, und Atome werden instabil und zerfallen. Man verringert die Gravitationskonstante, und Sterne explodieren, Galaxien verschwinden. Man vergrößert sie, und alles stürzt zu einem einzigen riesigen Schwarzen Loch zusammen. In der Tat – so heißt es – führt die Veränderung jeder dieser Konstanten um mehr als einen ganz winzigen Wert zu einem Universum, das sich so sehr von unserem unterscheidet, dass es wohl kaum die organisierte Komplexität des Lebens erlauben würde. Wenn es viele solche Konstanten gibt, wirkt sich das noch stärker aus – es ist, als ob man dreißigmal hintereinander in der Lotterie gewinnt. Unsere Existenz balanciert nicht nur auf eines Messers Schneide: Es ist ein sehr scharfes Messer.
Das ist eine faszinierende Geschichte, aber sie hat jede Menge Löcher. Pan narrans kann einfach nicht aufhören.
Ein grundlegender und fataler Fehler in einem Großteil der einschlägigen Literatur besteht darin, dass die Konstanten immer nur einzeln und nur in engen Grenzen betrachtet werden. Mathematisch gesehen erforscht man damit lediglich einen winzigen Bereich des »Parameterraums«, der Gesamtheit aller möglichen Kombinationen von Konstanten. Was man in diesem beschränkten Bereich findet, dürfte kaum repräsentativ sein.
Hier eine Analogie: Nehmen Sie ein Auto und verändern einen einzigen Aspekt nur ein klein wenig,
Weitere Kostenlose Bücher