Das Jüngste Gericht: Die Wissenschaft der Scheibenwelt 4 (German Edition)
der Prämisse der Feinabstimmung beizupflichten und zu versuchen, sie zu erklären – oder wegzuerklären –, können wir die Prämisse selbst infrage stellen. Zunächst ist es sonderbar, dass sich Physiker keine andere Art vorstellen können, ein Universum zu erzeugen, als unseres beizubehalten und nur einige Konstanten zu verändern. Noch seltsamer ist die Beobachtung, dass Gläubige nicht zögern, der Schöpferkraft ihrer allmächtigen Gottheit dieselben Beschränkungen zuzuschreiben. Doch selbst wenn man diese Einschränkung gelten lässt, ist seit mindestens einem Jahrzehnt klar, dass die übliche Beschreibung der Feinabstimmung unnötig mystisch ist und an einen Mythos grenzt.
Die Fragen gehen tief, und es ist wichtig, ihnen nicht auszuweichen und wohlfeile »Erklärungen« zu bieten, die an der Sache vorbeigehen. Beispielsweise erklärt das Schwache Anthropische Prinzip – dass wir das Universum nur beobachten können, wenn es für unsere Existenz geeignet ist – tatsächlich, warum unser Universum einigen ziemlich strikten Beschränkungen gehorchen muss. Da wir existieren, muss das so sein. Aber damit ist weiter nichts gesagt, als dass »das Universum ist, wie es ist«. Ebenso gut könnte man von der Existenz, sagen wir, des Schwefels ausgehen und schlussfolgern, die Atomtheorie müsse ziemlich genau so sein, wie sie unserer Meinung nach ist. Das Schwache Anthropische Prinzip scheint sich nur deshalb vom ebenso gültigen Schwachen Schwefligen Prinzip* [* »Ein Universum, welches Schwefel enthält, muss geeignet sein, Schwefel zu enthalten.«] zu unterscheiden, weil es von uns handelt und nicht von einem Klumpen gelben Gesteins. Aber das kopernikanische Prinzip warnt uns vor der Vorstellung, an uns sei etwas Besonderes, und in diesem Falle ist an uns nichts Besonderes. Wir sind einfach ein Beweisstück. Man kann ebenso überzeugend darlegen, dass das Universum auf einzigartige Weise fein abgestimmt ist, um die Existenz von Schwefel zu ermöglichen.
Mehr besagt das Schwache Anthropische Prinzip nicht. Es erklärt nicht, warum diese Art von Universum existiert und nicht irgendeine andere – vor allem wenn fast jede Alternative angeblich im Augenblick ihrer Entstehung zerfallen oder explodieren würde oder so langweilig wäre, dass sich nur sehr einfache Strukturen bilden könnten. Doch das Starke Anthropische Prinzip – dass das Universum erschaffen wurde, damit Menschen existieren können – erklärt auch nichts dergleichen. Wir könnten ebenso gut das Starke Schweflige Prinzip formulieren: Das Universum wurde erschaffen, damit Schwefel existieren kann.
Warum wir? Das Starke Anthropische Prinzip setzt einfach voraus, es sei offensichtlich, dass wir der Zweck des Ganzen sind. Schwefel? Seien Sie nicht albern.
Nehmen wir uns für den Anfang die Geschichte mit dem Kohlenstoff vor, die leichter zu erfassen ist. Dann werden wir einen Blick auf jene rätselhaften Konstanten werfen. Beides haben wir in Die Philosophen der Rundwelt erörtert, und wir werden einiges davon wiederholen müssen, ehe wir weiter voranschreiten. Wir werden uns kurz fassen.
Die Astrophysiker haben sorgfältig berechnet, wie die chemischen Elemente entstanden sind. Kombinationen von Elementarteilchen – von Protonen, Neutronen oder ihren exotischeren Vorgängern – ballten sich zu riesigen Wolken zusammen und bildeten die Atome des leichtesten Elements, des Wasserstoffs. Das frühe Universum war heiß genug, um Wasserstoffatome verschmelzen und das nächstleichteste Element – Helium – entstehen zu lassen. Dann stürzten die Wolken unter der eigenen Schwerkraft zusammen und lösten Kernreaktionen aus. Sterne entstanden, und in diesen Sternen wurden neue Elemente zusammengesetzt, deren Atomgewicht bis zum Eisen reichte. Kompliziertere Prozesse, die in roten Riesensternen ablaufen, führten zu schwereren Elementen bis hin zum Wismut. Alles andere erforderte hochenergetische Prozesse, die nur in Supernovae vorkommen, in gewaltigen Sternenexplosionen.
1954 erkannte der Astronom Fred Hoyle, dass es ein Problem mit dem Kohlenstoff gab. Das Universum enthält viel mehr davon, als die Kernreaktionen erklären können. Und Kohlenstoff ist das für Leben unerlässliche Element. Kohlenstoff kann sich in roten Riesensternen durch den »Tripel-Alpha-Prozess« bilden, bei dem drei Heliumkerne (Atome minus ihre Elektronen) zusammenstoßen, und zwar ziemlich genau gleichzeitig. Ein Heliumkern besteht aus zwei Protonen und zwei Neutronen. Drei
Weitere Kostenlose Bücher