Das Jüngste Gericht: Die Wissenschaft der Scheibenwelt 4 (German Edition)
Denkmuster zu sein, und das aus gutem evolutionärem Grund. Die universumbezogene Sichtweise erschien erst später. In dem Sinn, den wir meinen – Wissenschaft und die wissenschaftliche Methode –, hat universumbezogenes Denken erst in den letzten drei-, vierhundert Jahren weitere Verbreitung gefunden. Es ist immer noch die Sichtweise einer Minderheit, aber sehr einflussreich. Um den Grund dafür zu finden, müssen wir zweierlei verstehen: wie die Wissenschaft ihr Geschäft betreibt und was einen wissenschaftlichen Beweis ausmacht.
Denjenigen unter uns, die es zur Kenntnis nehmen wollen, hat die universumbezogene Sichtweise offenbart, wie groß, wie uralt und wie Ehrfurcht gebietend das Universum ist. Selbst in der menschlichen Bezugsebene ist es ein sehr beeindruckender Ort, aber unsere beschränkten Wahrnehmungen verblassen zur Bedeutungslosigkeit, wenn sie mit der überwältigenden Wirklichkeit konfrontiert werden.
Als die frühen Menschen durch die Ebenen Afrikas streiften, muss ihnen die Welt riesig erschienen sein, doch in Wahrheit war sie äußerst klein. Eine große Entfernung war die Strecke, die man in einem Monat zu Fuß zurücklegen konnte. Die Welterfahrung eines Einzelnen war auf das unmittelbare Gebiet beschränkt, in dem er lebte. Für eine derart kleine Welt funktioniert die menschenbezogene Weltsicht in der Regel sehr gut. Die wichtigen Pflanzen und Tiere – jene, die für bestimmte Gruppen von Menschen einen Nutzen hatten – waren relativ gering an Zahl und befanden sich in unmittelbarer Nachbarschaft. Ein Mensch konnte sie alle erfassen, ihre Namen lernen, wissen, wie man eine Ziege melkt oder ein Dach aus Palmblättern anfertigt. Die tiefere Botschaft der ägyptischen Hieroglyphen besagt nicht, wie vielfältig Flora und Fauna jener Kultur waren, sondern wie eng ihre Symbolik auf die Organismen ausgerichtet war, die Bedeutung für den ägyptischen Alltag hatten.
Als wir zu einem tieferen Verständnis unserer Welt gelangten und neue Fragen stellten, ergaben bequeme Antworten in Begriffen, die wir intuitiv verstanden, immer weniger Sinn. Bildlich gesehen könnte die Sonne von einem unsichtbaren riesigen Mistkäfer umhergerollt werden, aber die Sonne ist eine gewaltige Kugel sehr heißen Gases, und kein gewöhnlicher Käfer würde die Hitze überleben. Entweder regelt man das, indem man dem Käfer übernatürliche Kräfte zuschreibt, oder man akzeptiert, dass ein Käfer es nicht bringt. Dann muss man akzeptieren, dass die Bewegung der Sonne aus Gründen erfolgt, die kaum etwas mit einem Käfer zu tun haben, der Nahrung für seine Larven sammelt. Und es erhebt sich die interessante Frage: Warum oder wie bewegt sie sich denn nun? Ebenso die untergehende Sonne: Obwohl es so aussieht, als verschwände sie unter der Erde, kann man schließlich verstehen, dass sie von der rotierenden Erdmasse verdeckt wird. Anstatt eine Geschichte zu erzählen, die wenig wirkliches Verständnis bietet, hat man etwas Neues über die Welt gelernt.
Die Menschheit brauchte Zeit, das alles zu erkennen, weil unser Planet viel größer ist als ein Dorf. Ginge man jeden Tag 40 Kilometer, würde man drei Jahre benötigen, um die Welt zu umrunden, nicht gerechnet Ozeanüberquerungen und andere Hindernisse. Der Mond ist zehnmal so weit entfernt, die Sonne 360mal so weit wie der Mond. Um zum nächsten Stern zu gelangen, muss man diese Zahl abermals mit 65 000 multiplizieren. Der Durchmesser unserer Heimatgalaxis ist wiederum 25 000-mal so groß. Die nächstgelegene Galaxis von vergleichbarer Größe, die Andromeda-Galaxis, ist 25-mal so weit entfernt. Die Entfernung von der Erde bis zum Rand des sichtbaren Universums beträgt mehr als das 18 000-fache davon. Es sind rund 100 000 000 000 000 000 000 000 Kilometer.
Einhundert Trilliarden. Das ist schon ein Dorf.
Für etwas derart Großes haben wir kein intuitives Gefühl. Eigentlich haben wir kaum ein intuitives Gefühl für Entfernungen von mehr als ein paar Tausend Kilometer, und das auch nur, weil viele von uns mittlerweile solche Entfernungen in der Luft zurücklegen – was die Welt auf eine Größe schrumpfen lässt, die wir erfassen können. Von London aus ist New York nur eine Mahlzeit entfernt.
Wir wissen, dass das Universum so groß und so alt ist, weil wir eine Technik entwickelt haben, die die menschenorientierte Weltsicht bewusst und absichtlich beiseitelässt. Sie tut das, indem sie nicht nur nach Beweismaterial sucht, welches unsere Ideen bestätigt – das
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