Das Jüngste Gericht: Die Wissenschaft der Scheibenwelt 4 (German Edition)
erklären und … Oh, wo bleiben nur meine Manieren? Mögen Sie Gebäck?«
Er beobachtete sie noch immer mit unschuldiger Miene, und Marjorie nahm sich zusammen und fragte vorsichtig: »Hartes oder weiches?«
»Mir ist das harte Gebäck lieber, richtig schön knusprig muss es sein«, sagte Ridcully. »Ich kann Ihnen natürlich auch weiches bringen lassen.« Er reichte ihr den Teller mit Gebäck. »Dachte ich mir. Ich habe Sie sofort für eine Frau gehalten, die richtig zubeißen kann. Nein, für Sie kommt nichts Weiches infrage.« Ihm schien etwas einzufallen, woraufhin er ein verlegenes kleines »Äh« hinzufügte.
»Wie kommt es, dass ich plötzlich so froh und munter bin?« Argwohn erwachte in Marjorie, als sie sich an die perfekt sitzende Kleidung erinnerte. »Haben Sie mich vielleicht gegoogelt?«
»Nein, gnä Frau, ich weiß gar nicht, was ›Gugeln‹ ist, obwohl ich schon einmal etwas von ›Gockeln‹ gehört habe. Nun, in dieser kleinen Oase der Stille in einer ach so lauten Welt möchte ich, dass Sie es sich bequem machen und mir zuhören. Ein Erzkanzler lernt, Menschen einzuschätzen – und nicht nur die. Daher erkenne ich Sie als außerordentlich gut organisierte und belesene Person, was mir ein Kollege von Ihnen bestätigt hat, ein Kollege, wie ich hinzufügen darf, dem Sie noch nicht begegnet sind. Verschiedene Sorten von Kaffee und Tee werden gleich gebracht, und bevor Sie etwas sagen, gnä Frau … Bitte hören Sie sich meine Erklärung an, auch wenn sie etwas lang geraten dürfte …«
Die Vorreiter des Zwielichts legten gewissermaßen ihre Sporen an, als Ridcully Marjories Tasse zum letzten Mal füllte und sagte: »Das wär’s, im Großen und Ganzen, und um Ihrer ersten Frage zuvorzukommen, Gnädigste: Ja, wir können Sie zur Erde zurückbringen, obwohl mir der Name ›Rundwelt‹ lieber ist, wenn Sie gestatten. Aber das spielt derzeit keine Rolle, wenn ich so sagen darf, da wir im Augenblick ein Problem haben, das uns offenbar daran hindert, Sie in die Richtung zu schicken, aus der Sie kommen. Ich fürchte, Sie müssen ein wenig warten, was ich außerordentlich bedaure, aber ich verspreche Ihnen, Ihre Geduld nicht über alle Maßen zu strapazieren, denn wir suchen bereits nach einer Lösung für das Problem, das technischer Natur zu sein scheint. Eigentlich wären wir imstande, es mit einem kurzen Handwedeln aus der Welt zu schaffen – Magie hat durchaus ihre Vorteile –, aber diesmal ist das Problem ein wenig, äh, problematischer.«
Marjorie holte genug Luft für die Sätze, mit denen sie konfrontiert wurde. »Herr Erzkanzler …«
Ridcully hob die Hand. »Nennen Sie mich Mustrum, wenn Ihnen das nicht zu vertraulich erscheint.«
Marjorie zögerte kurz. »Nun gut … Mustrum. Wenn Sie mir ein kleines Wortspiel erlauben: Ich finde Sie recht unvertraut, auf eine vertraute Art und Weise.« Sie lächelte und fügte hinzu: »Natürlich kenne ich Science Fiction, und ich weiß auch, dass es einige sehr gute SF-Romane gibt. Aber ich schätze, Zauberer haben darin nichts verloren. Immerhin … Magie ist doch nicht real.« Sie zögerte erneut. »Oder?«
SECHS
Die Realität ist keine Magie
Ist Magie real?
Die meisten von uns glauben das nicht mehr, nicht einmal jene, die keine Probleme mit der Vorstellung übernatürlicher Eingriffe in den Alltag haben. Magie ist Aberglaube, ganz anders als vernünftige Glaubensvorstellungen wie Jungfrauengeburt oder Leben nach dem Tod.
Magie ist eine menschenbezogene Sichtweise. Sie erklärt natürliche Ereignisse in Begriffen, die den Wunschvorstellungen der Menschen entgegenkommen. Bringen Sie die magischen Zutaten zusammen (die oft metaphorisch mit dem gewünschten Ergebnis zusammenhängen, wie das Horn eines Nashorns mit einer Erektion), sprechen Sie die Zauberworte (Worte haben Macht ), und das Universum kann nicht umhin, sich Ihren Wünschen anzubequemen.
Alles in allem bevorzugen wir Geschichten über Ursachen, die besser zusammenpassen als magische Zusammenhänge. Wir lassen uns gern erzählen, dass sich etwas ereignet hat, weil etwas anderes geschehen ist. Wir müssen aber auf der Hut sein, um uns der Verlockung von Erklärungen zu entziehen, die wie der Schildkrötenstapel Ursachen »bis ganz zurück« annehmen. Die meisten von uns fühlen sich wohler, wenn der Stapel ziemlich niedrig ist.
Wissenschaftler ziehen rationale, auf Beweismittel gegründete Kausalität vor. Religiöse Menschen gründen ihren Stapel aus Ursachen lieber auf Gott, was
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