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Das Jüngste Gericht: Die Wissenschaft der Scheibenwelt 4 (German Edition)

Das Jüngste Gericht: Die Wissenschaft der Scheibenwelt 4 (German Edition)

Titel: Das Jüngste Gericht: Die Wissenschaft der Scheibenwelt 4 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett , Jack Cohen , Ian Stewart
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auf die Welt einnehmen, obwohl sie deren Erschaffung einer allmächtigen Gottheit zuschreiben, neigen dazu, Probleme mit universumbezogenem Denken zu haben. Lady Anne Blount gehörte zu jenen Leuten, die die Bibel wörtlich nehmen, und zwar zur ziemlich phantasielosen Sorte. Sie betrachtete die Bibel nicht nur als einzige Quelle verlässlicher Information über die Natur, sie zweifelte auch nicht daran, dass die Erde flach sei. Überzeugt, dass kein wahrer Christ an eine runde Erde glauben könne (so viel zu Augustinus), gründete Lady Blount eine Zeitschrift, Earth not a Globe Review . 1901 gründete sie eine weitere, die einfach Erde (Earth) hieß.
    1901 war auch das Jahr, in dem der Geograf Henry Yule Oldham das Bedford-Level-Experiment wiederholte. Er stellte drei senkrechte Pfähle in den Fluss, jeder mit derselben Höhe über dem Wasser. Wenn man sie durch einen Theodoliten betrachtete, ragte der mittlere Pfahl fast drei Fuß (knapp einen Meter) über die beiden anderen hinaus, ein Ergebnis, das zu einer runden Erde vom korrekten Durchmesser passt. Bevor das Foto vom Erdaufgang verfügbar war, wurde dieses Experiment weithin in den Schulen gelehrt, um zu zeigen, dass die Welt rund ist. Lady Blounts Reaktion bestand darin, einen Fotografen zu beauftragen, Edgar Clifton. 1904 machte er mithilfe eines Teleobjektivs, das er zwei Fuß über dem Fluss platzierte, ein Bild von der Welney-Brücke zurück zu der sechs Meilen entfernten Stelle, wo Rowbotham alles begonnen hatte, indem er in den Fluss watete. Das Foto zeigte ein großes weißes Laken, das die Wasseroberfläche berührte. Anscheinend überraschte ihn das Ergebnis: Er wusste, dass das Laken nicht hätte sichtbar sein dürfen. Lady Blount machte das Bild in der Öffentlichkeit ausgiebig bekannt.
    Wie war Clifton zu seinem Foto gekommen? War es ein Schwindel? Das wäre leicht einzurichten gewesen. Man konnte das Foto von viel näher aufnehmen und dann, wenn man unter den Augen der Öffentlichkeit das eigentliche Experiment durchführte, die Platten vertauschen. Oder das Laken oder die Kamera höher halten als behauptet. Lady Blount könnte aber auch Glück gehabt haben: Das Ergebnis kann eine Lichtbrechung gewesen sein. Temperaturunterschiede in der Luft krümmen die Lichtstrahlen, je nachdem, welche Gebiete wärmer oder kälter sind. Ein Trugbild durch »obere Luftspiegelung« hätte zu ähnlichen Ergebnissen geführt.
    Selbst in unseren angeblich aufgeklärten Zeiten hält sich der Glaube an eine flache Erde bemerkenswert unbeeinflusst von der Vielzahl von Gegenbeweisen; allerdings ist es entschieden die Ansicht einer Minderheit. Die »Internationale Flacherde-Forschungsgesellschaft«* [* International Flat Earth Research Society.], für gewöhnlich »Flacherde-Gesellschaft« genannt, wurde 1956 gegründet. Der neueste Vorschlag der Gesellschaft für die Gestalt der Erde ist eine Scheibe mit dem Nordpol in der Mitte, umgeben von einem 45 Meter hohen Eiswall am Rand (Antarktika). Als Beweis zitiert die Gesellschaft das Logo der Vereinten Nationen, welches exakt diese Anordnung darstellt, ausgenommen den Eiswall. Das Logo beruht auf einer mittabstandstreuen Azimutalprojektion mit dem Nordpol als Zentrum, was eine der üblichen kartografischen Methoden ist, eine runde Erde auf einer flachen Karte abzubilden.
    Angesichts der Einstellungen der religiösen Rechten und anderer Interessengruppen in den USA gegenüber Themen wie der Evolution und dem Klimawandel, dazu des Junge-Erde-Kreationismus* [* Vgl. Kapitel 4. Erzbischof James Ushers auf der Bibel beruhende Berechnung, welche die Schöpfung auf die Nacht vor Sonntag, dem 23. Oktober 4004 v. Chr., datiert, greift ein bisschen zu kurz, weil gewisse archäologische Funde schwer zu leugnen sind. Eine Rückverlegung um 4000 Jahre umgeht diese Schwierigkeit elegant. Ushers Datum ist so genau, weil er der Ansicht war, die Schöpfung sei exakt 4000 Jahre vor Christi Geburt erfolgt. Warum die Gottheit derart auf Dezimalrechnung in Vielfachen der Umlaufzeiten eines Planeten fixiert ist, bleibt unerklärt.], wäre es keine große Überraschung, wenn wir morgen in der Zeitung läsen, dass irgendeine Schulverwaltung im hinterwäldlerischsten Mississippi darauf besteht, im Unterricht solle »die Kontroverse« über die Gestalt unserer Welt gelehrt werden, indem der Annahme, sie sei flach, gleich viel Zeit eingeräumt wird.
    Wir kommen jetzt zur merkwürdigsten Wendung in der Geschichte des Bedford-Level-Experiments. Einige

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