Das Jüngste Gericht: Die Wissenschaft der Scheibenwelt 4 (German Edition)
ist die Struktur kein Motor, hat aber schon eine ganz andere überaus nützliche Funktion: Sie kann Moleküle aus der Zelle transportieren. Sie ist nämlich als eine primitive Version des sogenannten Typ- III -Sekretionssystems zu erkennen, über das moderne Bakterien verfügen, und DNS -Sequenzen stützen diese Deutung. Weitere Veränderungen, bei denen die Funktion der Pore schrittweise verbessert oder durch Exaptation verändert wird, liefern einen völlig plausiblen Evolutionsweg zum Bakterienmotor. DNS -Untersuchungen stützen dieses Modell in zunehmendem Maß.* [* N. J. Matzke: Evolution in (Brownian) space: a model for the origin of the bacterial Flagellum.
www.talkdesign.org/faqs/flagellum.html]
Ja, wenn man genug Teile des Bakterienmotors entfernt, dann ist er vielleicht kein besonders guter Motor mehr. Aber die Evolution wusste nicht, dass sie einen Motor hervorbringen sollte.
»Design« ist also nicht, wofür es oft gehalten wird, nicht einmal in der menschlichen Technik, geschweige denn in der Biologie. Jede einzelne Neuerung kann von menschlichen Absichten veranlasst sein, doch was funktioniert und was an spätere Technologien weitergegeben wird, entwickelt sich evolutionär. In gewissem Maß haben sich Autos aus Pferdewagen entwickelt, und ein Kugelschreiber ist der geradlinige Abkömmling eines Federkiels. Wir können diese Entwicklungen zu Recht damit vergleichen, wie sich die Säugetiere aus einem Fisch des Devon entwickelten, der aus dem Wasser an Land kam, oder wie unsere Gehörknöchelchen in gerader Linie von knochigen Kiemenstrukturen dieses Fisches abstammen.
Die Evolution ist nicht effizient. Sie wirft eine unglaubliche Menge von Dingen weg. Zahllose Arten von Landwirbeltieren sind ausgestorben. Ebenso funktionieren die meisten menschlichen Entwürfe nicht. Von der riesigen Anzahl, die im Angebot ist, entwickeln sich nur wenige zu raffinierten Struktur/Funktions-Nischen. Wir alle sind an die Tradition gebunden und ebenso an die funktionalen Beschränkungen, die erfordern, dass jede neue Entwicklung dieselben Funktionen erfüllt wie ihr Vorgänger. Es gibt ein klassisches Beispiel: Die Apollo-Raketen wurden zu ihren Startplätzen auf Schienen gefahren, die viel zu eng beieinanderlagen, um Stabilität gewähren zu können, weil die Spurweite der amerikanischen Eisenbahn von Grubenbahnen herstammt, die zwei Pferde breit waren. Das Mondprogramm wurde also von Pferdehintern gefährdet.
Konkret wollen wir über bessere Mausefallen nachdenken. Die Evolution der Mausefallen ist ein Prozess, nicht einfach nur eine Abfolge von Modellen; er verzweigt sich in die Zukunft. Das Muster, bei dem ein Metallbügel herabschnellt und (hoffentlich) der Maus das Genick bricht, hat sich zu Dutzenden von verschiedenen Modellen ausgebreitet, manche davon computergesteuert. Diejenigen, die die Maus in einer Metallröhre oder in einem Käfig einsperren, stammen eher von Hummertöpfen ab, doch auch sie haben durchgemacht, was Biologen eine adaptive Radiation nennen würden: Wir haben sieben unterschiedliche Arten gefunden, bei denen federgetriebene Türen oder elastische Öffnungen als Eingang dienen.
Dasselbe gilt für Fahrräder, Autos oder Computer: Sie alle verzweigen sich adaptiv in die Zukunft. Jede neue Fähigkeit wie etwa Computersteuerung – ein Logik-Chip – auf einer bestimmten technologischen Route verzweigt sich zu neuen Routen. Denken Sie an die vertraute Katzenklappe, heutzutage lieferbar in Versionen, die Ihre eigene Katze mit ihrem Magnethalsband herein- und hinauslassen, fremde Katzen aber aussperren. Oder stellen Sie sich elektronische Katzenklappen vor, die den ID -Code Ihrer Katze überprüfen. Ganzkörperscanner zum Aufspüren von Terroristenkatzen, die explodierende Mäuse dabeihaben, können nicht mehr fern sein. Ganz wie bei der organischen Evolution erfolgen ständig Vorstöße ins angrenzende Mögliche: Möglichkeiten, die nur einen Schritt von der gegenwärtigen Praxis entfernt liegen, werden ziemlich unoriginell ausprobiert.
Wir denken uns das für gewöhnlich als technische Entwicklung, nicht als Neuerung, es sei denn, es geht in eine unerwartete Richtung: Teflon in antihaftbeschichteten Bratpfannen oder Pinguinflügel, die zum Schwimmen benutzt werden. Anders als diese Vögel, die sekundär zum Wasserleben zurückgekehrt sind, benutzen die meisten Wasserwirbeltiere zur Fortbewegung ihre Schwänze, nicht ihre Flossen. Solche originelleren Richtungswechsel sollte man lieber als
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