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Das juengste Gericht

Das juengste Gericht

Titel: Das juengste Gericht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Udo Scheu
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Krawinckel anrufen. Seinen alten Schulfreund Phillip, der über alles Geld der Welt verfügte. »Wenn du sowieso nur noch einen Herzschlag von hier entfernt bist, komm doch einfach vorbei. Dann brauchen wir jetzt nicht lange am Telefon hin und her zu reden. Ich setze uns bis dahin einen Kaffee auf.«
    »Einverstanden, bis gleich«, sagte Krawinckel und beendete das Gespräch.
    Gewohnheitsgemäß öffnete Beuchert das Toilettenfenster und spähte dann aus der Tür nach seiner Frau. Er hörte sie in der ein Zimmer weiter gelegenen Küche hantieren und ging dorthin. Als er die in schraffiertem Glas gehaltene Küchentür öffnete, stand seine Frau vor dem halb geöffneten Kühlschrank und kaute. Beuchert betrachtete ihre füllige Figur. Die grün-weiß gestreiften Leggins bedeckten barocke Oberschenkel, unter dem weißen TShirt zeichneten sich mehrere Speckröllchen ab, die blonde Kurzhaarfrisur betonte das vom Kauen in Schwingungen gebrachte Doppelkinn.
    Beuchert ging auf sie zu, setzte eine giftige Miene auf und tätschelte ihr den Bauch. »Nanu, Herzchen, wie ich sehe, nimmst du gerade dein zweites oder drittes Frühstück ein. Dazu gehört bei deiner Figur ein erhebliches Selbstvertrauen.«
    Karin Beuchert reckte sich zu ihrer imponierenden Größe auf und gewann an Ähnlichkeit mit einem kämpferischen Truthahn.
    »Du musst gerade reden. Schon seit Jahren führst du beim Hosenkauf den Kampf mit der Frage, ob du den Bauch über oder unter dem Hosenbund unterbringen sollst. Die Art, wie die Knopfleiste deines Hemdes überall sperrt, verrät wohl kaum den jugendlichen Waschbrettbauch. Schau dir deinen Freund Phillip an. Der ist genau wie du Mitte fünfzig, aber immer noch schlank und drahtig. Bei mir ist das etwas anderes. Das sind die Wechseljahre. Da haben alle Frauen mit ihrem Gewicht zu kämpfen. Das legt sich später wieder von selbst.«
    »Phillip müsste gleich hier sein. Ich habe eben mit ihm telefoniert. Wir haben etwas Geschäftliches zu besprechen.«
    Karin Beuchert zog die Augenbraue hoch. »Warst du nicht eben auf der Toilette? Telefonierst du neuerdings dort? Man könnte meinen, dass du Geheimnisse vor mir hast.«
    »Unfug. Ich habe natürlich vorher mit ihm telefoniert, als ich mit dem Auto unterwegs war. Schade, dass sich dein ausgeprägtes Interesse nur immer auf mein Verhalten und nicht wenigstens andeutungsweise auf die häuslichen Belange erstreckt. Du liegst
    tagelang von morgens bis abends im Bett und telefonierst, liest Zeitungen oder guckst fern. Wenn ich mich nicht neben meiner vielen Arbeit auch noch um die Kinder kümmern würde, sähe es hier mit allem finster aus.«
    Als Karin Beuchert nach einer wegwerfenden Handbewegung tief Luft zu einer Gegenrede holte, klingelte es an der Haustür. Schnurstracks setzte sie sich erhobenen Hauptes in Bewegung, um zu öffnen. Vor der Tür stand ein braungebrannter, hochgewachsener Mann im eleganten dunkelblauen Seidenblazer, offenem weißen Rüschchenhemd und dunkelgrauer Hose. Sie umarmte ihn und drückte ihm rechts und links ein Küsschen auf die Wangen. »Hallo, Phillip. Komm rein. Wir haben dich schon erwartet.«
    Krawinckel lächelte sie an, ergriff ihre Hand, gab ihr einen flüchtigen Handkuss, trat in den mit schieferfarbenen Marmorplatten gefliesten Hausflur und begrüßte Wolfgang Beuchert.
    »Grüß dich, Wolfgang. Hier bin ich, wie angedroht.« Krawinckel und Beuchert begaben sich zum Wohnzimmer. Auf
    den schweren Orientteppichen, die weite Teile des Dielenparketts bedeckten, führte Beuchert seinen Gast zu der in weißem Wildleder gehaltenen Sitzgarnitur. Die beiden im rechten Winkel aufgestellten dreiteiligen Elemente gestatteten den Blick auf den sorgfältig gestutzten Rasen des mit einigen kleinwüchsigen Bodendeckern eintönig gestalteten Gartens. Nachdem Krawinckel Platz genommen hatte, setzte sich Beuchert ihm gegenüber in einen cremefarbenen Ledersessel, dessen drehbare Sitzfläche dem in einer Nische platzierten Großbildfernseher zugewandt war.
    Beuchert wandte das Gesicht seiner Frau zu, die in der Tür stand. »Liebling, sei so nett und mach uns einen Kaffee. Phillip und ich haben etwas Geschäftliches zu besprechen.«
    Mit den Fußspitzen versetzte Wolfgang Beuchert seinem Sessel in kleine Drehbewegungen und schaute dabei Krawinckel lächelnd an. »Hier sitze ich samstags immer, wenn ich mir die Fußballergebnisse in der Sportschau ansehe. Für deinen gesellschaftlichen Anspruch ist dieser Sport sicher zu primitiv. Wenn man, wie

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