Das juengste Gericht
du, bereits im zarten Alter von Ende vierzig eine feine Privatbank gewinnbringend verkauft hat und nur noch ver-
meintliche gesellschaftliche Pflichten erfüllt, muss man sich beim Sport einfach mehr auf Reiten oder Golf konzentrieren. Da ist für die Lieblingssportarten des gemeinen Volkes kein Platz.«
Das Gesicht Krawinckels ließ keine Regung erkennen. Er lehnte sich tief in die Couch zurück und legte seine Arme ausgestreckt über die Rückenlehne. »Du vergisst, dass ich immerhin jahrelang persönlich haftender Gesellschafter meiner Bank war und ein hohes unternehmerisches Risiko gefahren bin. Wenn ich nur Leute deiner Qualität finanziert hätte, würde ich heute bestenfalls noch als Portier in meiner früheren Bank arbeiten. Ich verstehe nicht, weshalb jetzt ausgerechnet bei dir der Sozialneid aufkocht. Du lebst doch gar nicht schlecht. Jedenfalls weit über deine Verhältnisse, wie ich weiß. Und überwiegend von meinem Geld.«
Die Schärfe des Tones und der Umstand, dass Krawinckel aus der Frankfurter Mundart ins Hochdeutsche übergegangen war, warnten Beuchert.
»Das war nicht böse gemeint, Phillip. Du weißt, dass ich dir deinen Reichtum von Herzen gönne. Wie du schon zu Recht gesagt hast, profitiere ich davon. Ich bete sogar inständig, dass dir nicht solche Pannen passieren, wie ich sie hinnehmen musste. Mit meinen Bemerkungen wollte ich nur zum Ausdruck bringen, dass ich trotz meines wirtschaftlichen Höhenflugs in vielen Belangen ein einfacherer Mann geblieben bin. Diese Feststellung sollte aber kein Vorwurf sein.«
Bevor sich Krawinckel darüber einig werden konnte, ob er etwas entgegnen oder korrigieren sollte, betrat Karin Beuchert wieder den Raum. Sie stellte vor den beiden Männern ein Silbertablett ab, auf dem sie das Kaffeegeschirr, einen Teller mit Gebäck und eine Thermoskanne transportiert hatte. »Das sieht zwar nicht sehr stilvoll aus, ich habe mir aber gedacht, dass der Kaffee in dieser Kanne länger warm bleibt. Ihr könnt euch selbst bedienen. Ich bin sowieso beleidigt, da man mich ja offenbar hier nicht dabeihaben will.«
Krawinckel lachte. »Ich habe überhaupt nichts dergleichen gesagt, liebe Karin. Das war dein rüpelhafter und eifersüchtiger Mann, der mir deine Anwesenheit nicht gönnt.«
Karin Beuchert wiegte den Kopf hin und her, zwinkerte Krawinckel zu und verließ wortlos das Zimmer. Die beiden Männer verfolgten sie mit ihren Blicken, bis die Glasflügel der Tür zugeschoben waren. Dann beugte sich Beuchert in seinem Sessel nach vorn, rieb seine Hände ineinander und nahm Blickkontakt zu Krawinckel auf. »Um mit der Tür ins Haus zu fallen, Phillip, bitte ich dich noch ein letztes Mal, mir zu helfen. Mir steht das Wasser bis zum Hals. Ich schaffe es nicht aus eigener Kraft. Wenn du mir noch einmal, sagen wir, zweihunderttausend Euro zuschießt, packe ich es. Oder, warte! Einhundertfünfzigtausend tun es auch. Es geht aufwärts. Die will ich zur Umstrukturierung und Modernisierung meiner Geschäftszweige nutzen. Nur die eine kleine Finanzspritze noch, dann bin ich über den Berg und zahle dir alles zurück. Glaube mir, ich meine es ernst.«
Als Beuchert geendet hatte, begutachtete Krawinckel eine Weile intensiv seine farblos lackierten Fingernägel. »Schon während der Schulzeit habe ich dir oft finanziell geholfen, wenn deine Wünsche nicht mit den Möglichkeiten, die dir dein Elternhaus bieten konnte, im Einklang standen. Dein Vater war eben nur Hauptsekretär bei der Post gewesen, meiner immerhin Chefarzt der Psychiatrie. Ich sage das nicht, weil ich es als mein Verdienst ansehe. Tatsächlich war es aber der Unterschied zwischen einer Dreizimmerwohnung in einem Mehrfamilienwohnblock und einer Villa, zwischen Urlaub zu Hause und Weltreisen, zwischen Knausern und Klotzen.«
»Du sagst selbst, dass ich für meine Herkunft nicht verantwortlich zeichne.«
Krawinckel winkte ab. »Erinnerst du dich noch, wie du einmal beim Rangeln mit einem Mitschüler die Situation ausgenutzt und aus dessen Hosentasche heimlich Geld an dich genommen hast? Das Ganze drohte aufzufliegen, da der andere Junge das Geld zur Begleichung der Kosten für eine Schülerzeitung mitbekommen hatte und der Verlust nur durch deinen Zugriff zu erklären war. Als die Lehrerin daraufhin begonnen hatte, inquisitorische Fragen zu stellen, habe ich die Angelegenheit mit meiner großen Überzeugungskraft, die ich damals schon hatte, geregelt.«
»Was willst du damit sagen? Warum wärmst du diese alten
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