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Das juengste Gericht

Das juengste Gericht

Titel: Das juengste Gericht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Udo Scheu
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Zettel mit der Aufschrift befestigt »Sitzung Zimmer 110, Gebäude B, 02.11., Diener, Staatsanwalt«. So verfuhren die meisten Kollegen, um dem Publikum längere Nachfragen zu ersparen. Schultz zückte den Schlüsselbund und sog die Luft ein. Wunderbar, Diener hatte Kaffee gekocht.
    Schultz hatte eben das Fenster geklappt, seine Aktentasche unter dem Schreibtisch verstaut und sich eine Zigarre angezündet, als die Tür aufflog. Breit über sein verwildertes Narbengesicht grinsend stand Schreiner im Zimmer, trotz des schlechten Wetters in einem hellen Jeansanzug, unter dem ein bunt bedrucktes knallrotes T-Shirt leuchtete. »Ich bin mir absolut sicher, dass ich ein ›Herein‹ gehört habe.«
    Hinter Schreiner drängte sich sein Kollege und Freund Köhler mit in das Zimmer, optisch der perfekte Gegensatz zu Köhler. Gepflegte, nach hinten gekämmte, dunkle Haare, glatte Rasur, dunkelbrauner Cordanzug mit rot-weiß kariertem Hemd und passender Krawatte.
    Schultz lachte auf, bot Plätze an und reichte Kaffee. Zuletzt füllte er sich den Boss -Becher, setzte sich hinter seinen Schreibtisch und sah die beiden Kriminalbeamten an. »Vielen Dank, dass Sie gleich beide gekommen sind. Schießen Sie los. Was gibt es im Fall Beuchert zu berichten?«
    Schreiner lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und zündete sich eine Zigarette an. Er warf das Streichholz in den vor Schultz stehenden Aschenbecher und sog den Rauch tief ein. »Wir schildern Ihnen zuerst in Kürze unsere bisherigen Erkenntnisse. Sunita Beuchert ist vor ein paar Tagen elf Jahre alt geworden. Sie war das Adoptivkind von Karin und Wolfgang Beuchert. Letzterer ist ein wenig erfolgreicher Geschäftsmann, der aus kleinen Verhältnissen kommt und gerne auf großem Fuß lebt. Er ist, das haben wir ermittelt, vor einiger Zeit wegen Betruges verurteilt worden. Beuchert hat das Kind und dessen jüngere Schwester vor ein paar Jahren aus Indien geholt, nachdem sein Bruder, der leibliche Vater, bei einem Zugunglück ums Leben gekommen war.«
    Schultz blies einige Kringel Zigarrenqualm in die Luft. »Heißt das, dass die häuslichen Verhältnisse wirtschaftlich angespannt und damit schwierig waren?«
    Schreiner sah zu Köhler hin, der, wie es dem üblichen Wechselspiel der beiden Beamten entsprach, das Wort ergriff. »Ich beginne mal untypisch mit dem Schluss unserer bisherigen Ermittlungen. Kollege Schreiner und ich haben gestern Nachmittag den Eltern des Mädchens einen Besuch abgestattet. Wir haben die Gelegenheit genutzt und Frau Beuchert ein bisschen befragt, soweit dies die besondere Situation zulässig erscheinen ließ. Zumindest der äußere Rahmen spricht für geordnete wirtschaftliche Verhältnisse. Allerdings hatten wir den Eindruck, dass es zwischen den Eheleuten kriselt.«
    Schultz hörte dem Bericht Köhlers zu den Begleitumständen bei der Überbringung der Todesnachricht zu. Als er mit seinen Fragen beginnen wollte, wehrte Köhler noch einmal ab. »Besonders wichtig erscheint uns neben der Anwesenheit von Krawinckel, dass plötzlich die kleine Schwester der Toten herumrannte, offensichtlich unter der gereizten Stimmung ihrer Adoptiveltern litt und sie als Heuchler und Lügner bezeichnete. Das Schwesterchen weiß etwas. Das müssen wir unbedingt im Auge behalten.«
    »Was war nach Ihrem Verständnis noch einmal die rechtliche Grundlage, nach der Sie die Mutter zur Herausgabe der Malereien von Sunita aufgefordert haben? Ich frage Sie wegen der Zulässigkeit einer späteren Verwertung in einem Prozess, falls die Dinger eine Bedeutung gewinnen sollten«, sagte Schultz.
    »Ich habe sie darum gebeten, nicht dazu aufgefordert. Sie war einverstanden. Deshalb bedurfte es meines Erachtens keines Durchsuchungsbeschlusses, für dessen Erteilung zurzeit nach meiner Einschätzung die Voraussetzungen nicht vorgelegen hätten.«
    Schultz rümpfte die Nase, da er es bevorzugt hätte, wenn die Prüfung rechtlicher Fragen ihm überlassen würde. Er öffnete seine Schreibtischschublade und entnahm ihr eine Pralinenschachtel, die er mit aufforderndem Blick zu den Beamten schob, nachdem er selbst eine entnommen und sich in den Mund gesteckt hatte. Mit gerunzelter Stirn wog er den Kopf hin und her und strich sich über seinen Bart. »Das sieht mir alles noch sehr nach Kaffeesatzleserei aus. Gibt es denn nicht etwas Handfesteres?«
    Schreiner drückte seine Zigarette aus, trommelte kurz mit den Fingernägeln auf die Tischplatte und fuhr sich durch die dunklen Haarlocken. »Jede Menge,

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