Das Juwel der Elben
entgegnete Sarwen, die in dieser Hinsicht etwas anderer Ansicht war.
Von dieser Gedankenunterhaltung bekam natürlich niemand etwas mit
– und das war auch sicher ganz gut so.
Unter denen, die bisher so ausgelassen gefeiert hatten, waren auch ein paar Halblinge, wie man aufgrund ihrer Größe auf einen Blick erkennen konnte. Auch sie blickten die beiden Elbenkinder voller Erstaunen an. Das Reich der Halblinge lag sehr weit im Süden in einem Land, das Osterde genannt wurde. Zum Elbenreich hatte Osterde allerdings wenig Kontakt. Nur einmal hatten Daron und Sarwen erlebt, dass ein Gesandter von dort am Hof von König Keandir in Elbenhaven eingetroffen war. Das Gastgeschenk, das der aus seiner Heimat mitgebracht hatte, war ein Dunkelseher für König Keandir gewesen, daran erinnerte sich Daron noch genau, denn er hatte darüber nachgedacht, wie jemand so dumm sein konnte, die Leistungskraft seiner Augen absichtlich zu schwächen. Dass dieser Dunkelseher natürlich höchstwahrscheinlich gar nicht von den Halblingen in Osterde, sondern in Wahrheit von den Kleinlingen hergestellt worden war, hatte der Botschafter wohlweislich verschwiegen. Einige Augenblicke lang sagte niemand in dem Steinhaus des Kleinling-Dorfes ein Wort, und das nutzte Mik aus, indem er vortrat und rief: „Draußen wartet eine Kiste mit Dunkelsehern darauf, dass ein starker Halbling – oder auch zwei – sie vom Wagen schafft!“ Mik wandte sich direkt an einen der Halblinge und fuhr fort: „Du wolltest doch in aller früh mit den Dunkelgläsern aufbrechen, Koy. Wir haben sie vor dem Verpacken sogar noch geputzt.“
Der angesprochene Halbling nickte. Er schnippte mit den Fingern und sagte zwei anderen Halblingen, die offenbar seine Diener waren, sie sollten die Kisten vom Wagen holen und auf seinen eigenen umladen.
„Nun wollen wir aber wissen, wen ihr beide uns da als Besuch mitgebracht habt!“, ergriff endlich der König das Wort. „Den spitzen Ohren nach sind es zwei Elben.“
„Und der Größe nach lediglich Elben kinder “, warf der Halbling namens Koy ein, von dem Daron vermutete, dass er ein Händler war. Der Kleinling-König runzelte die Stirn und rückte sich seine Krone zurecht. Neben ihm saß seine Gemahlin, die offenbar der seltsamen Mode folgte, einen Dunkelseher auch dann zu tragen, wenn die Sonne gar nicht schien. Um besser sehen zu können, ließ die Königin den Dunkelseher etwas die Nase hinabrutschen, gerade so, dass er auf der Spitze noch Halt fand und sie über die Gläser hinwegschauen konnte.
„Unser geschätzter Halbling-Freund Koy Kanjid kann das sicher besser beurteilen als wir“, glaubte die Königin. „Schließlich kommt er in viel herum und dürfte schon öfter Elben zu Gesicht bekommen haben. So wird er auch Elbenkinder von erwachsenen Elben zu unterscheiden wissen.“
„Du meinst, erwachsene Elben sind tatsächlich noch größer als die beiden dort?“, wunderte sich der König, dem das etwas zu fantastisch erschien. „Ich weiß nicht …“
Daron trat mutig ein paar Schritte vor. „Ja, es ist wahr - wir sind tatsächlich Elbenkinder!“, erklärte er.
„Erziehen Elben ihren Nachwuchs so früh zur Selbstständigkeit, dass sie ihre Kinder allein durch die Welt reisen lassen?“, wunderte sich der König. „Nach allem, was man so hört, haben Elben doch nur sehr wenige Kinder. Wie kann euer Volk es da zulassen, dass auf diese wenigen Kinder noch nicht einmal wirklich geachtet wird?“ Der Kleinling-König schüttelte energisch den Kopf. „Das würde ich in meinem Reich niemals zulassen!"
„Vielleicht sollten wir uns erst mal anhören, wie es dazu kam, dass sich diese beiden Elbenkinder so weit von ihrer Heimat befinden", riet Koy.
„Und was mich darüber hinaus persönlich interessieren würde: Wisst ihr, wie es König Keandir geht? Hat er sich inzwischen schon zur Ruhe gesetzt und einen Nachfolger bestimmt?"
„Unserem Großvater geht es gut", antwortete Sarwen dem Halbling.
„Und er ist auch immer noch in Amt und Würden.“
„Euer Großvater?“, sagte Koy erstaunt. „Ihr seid die Enkel des Elbenkönigs?“
„So ist es“, bestätigte Sarwen. „Dies ist mein Bruder Daron, und mein Name ist Sarwen. Und was unsere Reise in dieses Land betrifft, so war sie mehr ein Missgeschick. Wir sind keineswegs freiwillig hier, und beinahe hätten uns die Trorks …“
Koy unterbrach sie. Von Missgeschicken und wilden Trorks wollte er in diesem Moment nichts hören, denn offenbar interessierte
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