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Das Kabinett der Wunder

Titel: Das Kabinett der Wunder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Rutkoski
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dem Fuß über den Boden. »Wir sitzen hier etwas in der Klemme.«
    »Was ist los?«
    »Unsere Pferde haben irgend so eine Seuche abgekriegt. Die meisten sind gestorben. Und ohne Pferde können wir die Wagen nicht bewegen.«
    »Ihr sitzt hier fest?«
    »Wie Fliegen im Honig. Außer dass es vielleicht ganz nett wäre, im Honig festzustecken. Aber stattdessen sind wir in Prag.
    »Was ist daran so schlecht?« Auch wenn Petra Prag teilweise stinkend und dreckig fand, gefiel ihr der erste Tag in dieser Stadt. Schließlich konnte man hier wunderbares Gebäck finden, faszinierende Gespräche mithören und interessante Menschen kennenlernen.
    »Erstens scheinen hier keine Ursari in der Gegend zu sein, die wir dazu überreden könnten, uns ein paar Pferde zu leihen. Und wir können es uns nicht leisten, welche von den Gadsche zu kaufen. Zweitens« - er hakte die Gründe an den Fingern ab - »sollten wir uns jetzt schon nach Süden aufmachen, um der schlimmsten Zeit des Winters zu entgehen. In diesem Teil von Böhmen gibt es immer ziemlich viel Schnee und dann sind die Straßen so verstopft wie die Nase eines kranken Kindes. Und drittens sitzen wir im Jagdrevier des Prinzen, was nicht so ganz und gar nach dem
Gesetz ist. Und das heißt, dass so ziemlich alles Geld, das wir machen, dafür draufgeht, die Wildhüter des Prinzen zu bestechen, damit sie alle miteinander nicht sagen, dass wir hier sind. Wir bezahlen sie, damit sie dem Prinzen sagen, dass, wenn er Hirsche schießen will, sie wirklich häufig in einem Teil des Walds zu finden sind, der meilenweit von hier entfernt ist. So haben wir also nicht nur keine Pferde, es scheint auch, als ob wir so bald keine kaufen könnten. Wenn nicht ein Wunder passiert und die Ursari in Scharen durch Prag marschieren, wo wir doch eigentlich wissen, dass sie schon nach Süden, nach Spanien unterwegs sind, dann sitzen wir hier ganz gehörig in der Falle.«
    Sadi öffnete die Tür ihres Familienwagens. »Neel? Petra? Mam möchte mit euch reden.«
    Neel und Petra stiegen die drei abgetretenen Stufen zum Wagen hoch. Drinnen zog Neel seine Schuhe aus und stellte sie auf eine Strohmatte. Petra machte dasselbe. Der Wagen hatte etwa das Ausmaß eines großen Zimmers. Zwei runde unverglaste Fenster ließen Licht herein, das über ein Podest flimmerte, das mit farbenfrohen Tüchern und Seidenkissen bedeckt war. Unter einer eisernen Laterne saß mit untergeschlagenen Beinen eine Frau mit strengem Gesicht.
    Neel, Sadi und Petra setzten sich auf die Tücher um sie herum. Sadi erinnerte ganz entfernt an ihre Mutter, doch das Gesicht der älteren Frau war schmal, ihr Kinn spitz und die Haut dunkel und runzlig. »Petra«, begann Sadi, »das ist unsere Mutter Damara. Sie würde gerne hören, was du uns über die Spinne erzählen willst, wenn du einverstanden bist.«

    Vorsichtig holte Petra Astrophil aus ihrer Hemdtasche. Die anderen beugten sich vor. Astrophil , dachte Petra. Das kitzlige Gefühl in ihrem Kopf war blass, aber es war da.
    Die Spinne schlief weiter.
    ASTROPHIL.
    Seine grünen Augen blinzelten und waren auf Petra gerichtet. Wie seltsam. Er schien nicht zu bemerken, dass er und Petra nicht allein waren. Ich war gerade dabei, ein Gemälde fertig zu machen. Es war eine Landschaft, und ich habe Ölfarbe benutzt, die aus den Spitzen meiner Beine kam, eine Farbe für jedes Bein. Aber wohin ist es verschwunden? Es war ein Meisterwerk.
    Astrophil, du hast geträumt.
    Das ist absurd. Um zu träumen, muss man schlafen, und ich schlafe niemals. Übrigens, wo sind wir? Und wie sind wir hierhergekommen? Und … Endlich drehte er sich um und sah Neel, Sadi und ihre Mutter. Was ist denn überhaupt hier los, Petra?
    Also, wir sind mit Neel gegangen, um Sadi zu treffen, und dann bist du eingeschlafen. Du bist mir aus den Haaren gefallen und sie haben dich gesehen. Und dann haben sie uns zu sich nach Hause zum Essen eingeladen, und ich fand, dass das eine gute Idee wäre.
    Langsam glaube ich tatsächlich, dass ich geschlafen habe. Denn wäre ich bei Bewusstsein gewesen, hätte ich niemals erlaubt, dass du etwas so selten Dämliches machen würdest.
    »Das ist Astrophil«, stellte Petra die Spinne vor. »Mein Vater hat ihn gemacht.« Dann holte sie tief Luft und begann, ihnen zu erzählen, warum sie nach Prag gekommen war.

Die Stunde schlägt
    WÄHREND PETRA sprach, übersetzte Sadi. Damara stellte keinerlei Fragen, hörte aber aufmerksam zu. Astrophil stand voller Missbilligung auf Petras Handfläche. Neel

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