Das Kabinett der Wunder
außer Gefecht gesetzt wurden.Von gescheiterten Heiratsversprechen und ruiniertem Ruf. Natürlich können die Pocken auch nur ein paar Narben hinterlassen, mit denen man leben kann. Das gibt es. Aber wie wundersam, dass du offenbar dem schlimmsten Verhängnis der Pocken entgangen bist. Also deine Haut ist ziemlich glatt.« Er musterte sie, als wäre sie ein Pferd, das er eventuell kaufen wollte. »Ich denke mal, das ist eine Zeichen von guter Gesundheit, stimmt’s? Und gute Gesundheit …«
»Ja, Herr«, unterbrach Sadi sanft. »Sie ist ein gesundes, kräftiges Mädchen. Ich glaube, sie würde bei der Arbeit gut zu mir passen.«
»Außer Frage, meine Liebe, ganz außer Frage! Aber ein Zimmermädchen wird oft gesehen. Und was mit ihrem Haar …«
Haare scheinen den Menschen eine Menge Probleme zu bescheren , sagte Astrophil zu Petra. Was bin ich froh, dass ich keine habe.
»Dann vielleicht eine Stellung in der Küche?«, beharrte Sadi. »Da müsste sie ihre Haare sowieso unter einer Haube verstecken.«
»Hmm. Hmm.« Meister Listek klopfte sich schnell mit den Fingerspitzen gegen die Lippen. »Ja. Ja. Meisterin Hild
kann immer eine zusätzliche Hand in der Küche brauchen. Nun Sadi, sieh zu, dass dieses Mädchen eine Uniform bekommt und es bis in die Küche schafft, ohne ins Verlies abzustürzen oder in einem Geheimzimmer verloren zu gehen. Also, die letzte Person, die wir eingestellt haben, hat sich irgendwie in einer Ritterrüstung verfangen, und wir haben nur noch ihr Skelett gefunden!« Er schlug sich auf die Knie und lachte. »Das ist bloß ein Scherz«, schnaufte er. »Ein Scherz!«
Sadi lächelte gequält, doch Petra machte sich nicht einmal die Mühe.
»Ich danke Euch, Herr.« Sie ging Petra voraus.
»Und die beste Art, die Pocken abzuwehren, sind Würmer. Würmer, sage ich. Man muss sie trocknen, zu Pulver zerstoßen und davon ein bisschen davon in den Tee vor dem Schlafengehen mischen. Ich hab die Pocken nie bekommen, kann ich zu meinem Glück sagen, und das habe ich alles den wohltätigen Kräften der Würmer zu verdanken …«
Die Tür schloss sich hinter ihnen.
»Wenn ich in der Küche arbeite, kann ich dir vor dem Schlafengehen immer eine Tasse Tee machen, Sadi«, sagte Petra boshaft.
Sadi verzog das Gesicht. »Nein danke.«
Sie führte Petra einen dunklen Korridor entlang. Für Petra wirkte das Ganze nicht wie eine Burg, sondern wie ein labyrinthischer Keller mit vielen Türen. Nachdem sie Sadi im Stall getroffen hatte, führte die junge Frau sie direkt zum Dienstboteneingang, der schmal und niedrig war. Von diesem Augenblick an hatte Petra nur einen unterirdischen
Raum nach dem anderen gesehen. Sogar das Büro Meister Listeks wirkte enttäuschend, obwohl es mit einem traurigen roten Teppich und ein paar unbedeutenden Kleinigkeiten ausgestattet war. Petra hatte darauf gehofft, etwas mehr Pracht in der Burg vorzufinden, besonders nach alldem, was ihr Vater erzählt hatte. Doch sie nahm an, dass der Prinz nicht so viel Energie darauf verschwendete, die Dienstbotenquartiere zu verschönern.
Wenn sie nach Erhabenheit Ausschau hielt, so fand sie die auch nicht in der Kleiderkammer, wo Sadi ihr in ein graublaues Kleid ihrer Größe mit einer dazu passenden Schürze half. Die Wände waren voller Regale mit graublauen Kleidern.Wenn man sich vorstellte, dass jedes Kleid ein Regentag wäre, dann beherbergte diese Kleiderkammer Jahre davon. Sadi half Petra auch noch, ihr glattes Haar unter die Haube zu stecken, und sagte dann: »Pass gut auf deine Kleidung auf. Sie ist Teil unseres Lohns.«
»Was?«, protestierte Petra. »Können die mich nicht mit pelzbesetzten Stiefeln bezahlen? Oder mit heißen, nach Safran duftenden Bädern? Oder mit Gebäck?«
»Einmal in der Woche wird dir erlaubt, ein Bad zu nehmen.«
»Ein heißes?«
»Äh … eher lauwarm. Irgendwie so. Nachdem all die älteren Mädchen wie ich dran waren«, antwortete Sadi ein bisschen entschuldigend.
Petra stöhnte. Dann wandte sie sich an die Spinne und zeigte auf ihre Haube. »Komm, da rein.«
»Bestimmt nicht«, sagte Astrophil.
»Wo willst du dich dann verstecken?«
Astrophil krabbelte unter die Haube und legte sich flach auf ihren Kopf. »Ich bin hier richtig eingezwängt«, beschwerte er sich mit gedämpfter Stimme.
Sadi führte sie einen weiteren dunklen Gang entlang, der fast genauso wie der letzte dunkle Gang aussah. Doch bei diesem gab es eine große Tür am Ende. Durch sie hindurch drangen Geklapper, Geschepper und
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