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Das Kabinett der Wunder

Titel: Das Kabinett der Wunder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Rutkoski
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lautlos zur Seite und er öffnete seine verborgenen Schätze. Ein paar Leser studierten an Tischen, die vom grünen Schein der Rapsöllampen beleuchtet wurden.
    Nachdem sie einen Führer an der Wand zurate gezogen hatte, der angab, wie die Bücher geordnet waren, ging Petra zur naturgeschichtlichen Abteilung. Sie benutzte eine Leiter mit Geländer, die mit einem Bann der Stille belegt war, und kletterte nach oben, um ein paar infrage kommende Bücher über Mineralien und ihre Verwendung herauszusuchen.
    Du bleibst unter meinen Haaren , befahl sie Astrophil streng. Komm bloß nicht auf die Idee, hier in der ganzen Bibliothek herumzutoben.
    In der Zeit hier in der Burg bist du so trist geworden. Mir ist die alte lebenslustige Petra lieber.
    Sie stieg die Leiter gerade wieder hinunter und wollte zum Ausgang gehen, als sie bemerkte, dass jemand sie beobachtete.
    Es war ein Leser in einem Gewand, das so schwarz war
wie das von Meister Humfrey. Sein Haar und sein Bart waren braun, und beides wallte ihm über Rücken und Brust. Ihn umgab ein Summen von Energie, und er blickte Petra nicht auf die Art an, wie das Menschen normalerweise tun. Ein Mensch wendet den Blick ab, wenn er dabei ertappt wird, jemanden insgeheim zu beobachten. Seine braunen Augen aber blieben fest auf sie gerichtet, so wie Füchse alles beobachten, was sich in ihrem Revier bewegt.
    Entnervt wandte ihm Petra den Rücken zu und ging auf Meister Humphrey zu, wobei sie versuchte, einen gleichmäßigen Schritt beizubehalten. Als sie sich Meister Humfreys Tisch näherte, erschien hinter ihr wieder die nackte Wand und sie entspannte sich vor Erleichterung.
    Der Bibliothekar notierte, welche Bücher sie mitnehmen wollte. Bitte schön.« Er übergab ihr den kleinen Stapel.
    »Da drin war ein Mann...« Petra beschrieb den Leser, der sie so angestarrt hatte. »Wer ist das?«
    »Ah, das ist wohl Meister John Dee. Er ist der Gesandte Englands. Ein sehr gelehrter Mann. Er spricht viele Sprachen, sogar tote.«
    Trotz ihres Plans war Petra nicht besonders erpicht darauf, den zweiten Stock erneut aufzusuchen, wenn es im zweiten Stock einen Meister Dee gab.
     
     
    Doch sie kam wieder. Zum Glück ließ sich John Dee während ihrer weiteren Ausflüge in den zweiten Stock nicht blicken. Dummerweise aber schien es im zweiten Stock nicht das zu geben, was sie eigentlich sehen wollte: Schlafzimmer.

    »Na, das hätte ich dir sagen können«, meinte Sadi. »Die persönlichen Räume aller Leute von Rang befinden sich im dritten Stock. Da, wo ich arbeite.«
    Sie waren beim Abendessen und sprachen leise inmitten des Getöses von Hunderten von Männern, Frauen, Jungen und Mädchen. Dana, eine von Sadis Freundinnen, hatte sich endlich von ihnen abgewandt, um jemand anderen mit ihrer Erzählung von ihrem letzten Schwarm zu langweilen. Petra nutzte die Gelegenheit, um Sadi um einen Gefallen zu bitten.
    »Kannst du etwas für mich herausfinden?«, fragte Petra beiläufig und griff nach der großen Schüssel mit gedünstetem Kohl.
    Sadis Gesicht wurde wachsam. Sie senkte die Gabel. »Was?«
    »Hast du schon irgendwann einmal von etwas gehört, das ›Sorgenfläschchen‹ heißt?«
    Als Sadi den Kopf schüttelte, erklärte Petra, was das für Fläschchen waren und wie sie aussahen. »Je dunkler eines ist, desto besser.Würdest du mir sagen, wenn du eines siehst, das richtig dunkelviolett aussieht, und in wessen Zimmer es sich befindet?«
    »Petra, du bist drauf und dran, in riesige Schwierigkeiten zu geraten.Verstehst du denn nicht, dass du dabei ernsthaft verletzt werden kannst? Geh besser in dein Dorf zurück.«
    »Ich will keinem das Sorgenfläschchen wegnehmen, das schwöre ich.« Petra legte in gespielter Ernsthaftigkeit die Hand aufs Herz. »Schließlich«, fuhr sie leichthin fort, »ist das Schlimmste, was vielleicht passiert, dass mich jemand
dabei erwischt, wie ich ein Zimmer sauber mache, in das ich nicht hingehöre. Dann sage ich einfach, dass ich es leid bin, für Iris zu arbeiten. Das glaubt mir jeder sofort. Ich kann dann behaupten, ich hätte gehofft, mich so für die Arbeit als Zimmermädchen zu empfehlen.Vielleicht werde ich dann gefeuert, aber ich muss nicht ins Gefängnis. He, gibst du mir mal das Salz?«
    Sadi schüttelte den Kopf. »Versuch doch nicht so zu tun, als ob wir nicht über etwas wirklich Gefährliches sprechen würden, Petra.Wenn das Sorgenfläschchen so funktioniert, wie du sagst, meinst du nicht, dass sie ein kleines bisschen misstrauisch werden, wenn

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