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Das Kabinett der Wunder

Titel: Das Kabinett der Wunder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Rutkoski
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die Hand über die Öffnung des Sorgenfläschchens und schüttelte es in der Hoffnung, damit das Wasser aufzufordern, schneller zu arbeiten.
    »Ist ja nicht so, als ob wir Zeit für eine Teegesellschaft hätten.«
    »Sehe ich auch so«, ließ sich Astrophil vernehmen. »Petra, wir sollten hier so schnell wie möglich verschwinden.«
    »Siehst du? Die Spinne findet das auch.«
    »Ist ja gut.« Sie goss das angereicherte Wasser wieder zurück
in die Flasche, aus der es gekommen war. Hocherfreut stellte sie fest, dass es sich sehr dunkel verfärbt hatte - nicht gerade schwarz, aber es musste einfach reichen. Das Sorgenfläschchen hatte eine irgendwie gräuliche Farbe angenommen. Nun zog sie aus ihrer Tasche das Fläschchen mit Tinte, die sie schon früher am Tag mit Algenextrakt vermischt hatte, damit die Tinte besser am Glas haftete. Sie kippte die schwarze Flüssigkeit in das Sorgenfläschchen. Da sie nicht unbedingt in der Burg mit einer schwarz gefärbten Hand herumlaufen wollte, bückte sie sich und zog ihren Unterrock hoch, drückte den beigen Stoff über die Öffnung und schüttelte das Fläschchen, sodass die Tinte sein Inneres bedeckte. Nun ließ sie ihren befleckten Unterrock fallen, goss die restliche Tinte zurück in ihr ursprüngliches Behältnis und verkorkte das Sorgenfläschchen. Damit sah es fast genauso aus, wie es gewesen war, als sie das Zimmer betreten hatten.
    Hastig zogen sie sich aus den Zimmern des Hauptmanns zurück. Ehe sie gingen, schloss Neel die Türen wieder ab. Erst als sie sich im Keller der Burg in Sicherheit befanden, gab Petra ihm die Flasche mit dem dunklen Wasser und fragte: »Und was hast du gestohlen?«
    »Einen silbernen Hosenbeutel. Davon hat er eine Unmenge.« Er fing Petras Blick auf. »Ich will den doch nicht behalten! Den verkaufe ich. Auf dem Markt bringt so was einen guten Preis. Der lässt einen Kerl wie einen ganzen Mann aussehen.«
    Petra hatte da allerdings ihre Zweifel.

    Sie beschlossen, sich die Sorgen des Hauptmanns an ihrem nächsten freien Tag im Wald beim Lager der Lowari anzuhören. Es war Petra schwergefallen, sich darauf einzulassen, so wichtig war es ihr, den Inhalt des Sorgenfläschchens möglichst schnell zu erfahren.
    »Ich denke, die Menagerie ist sicher genug«, hatte Petra eingewandt. »Warum machen wir es nicht da?«
    Doch Neel war es bei dem Vorschlag unbehaglich. Er sagte, er wäre noch einmal, nachdem sie zusammen dort waren, in der Menagerie gewesen und hatte den Eindruck bekommen, das etwas nicht stimmte. »Die Elefantenfrau hat immer wieder trompetet, als gäbe es kein Morgen. Sie hat mich geradewegs angeblickt und mit den Ohren gewedelt. Also hab ich zurückgeblickt. Und dann, das schwöre ich, hat sie mir zugenickt, als wollte sie sagen: ›Geh raus‹, und ich hab es dann endlich begriffen.«
    Petra verspottete ihn, weil er die Launen eines Elefanten so ernst nahm, doch Neel bestand darauf, dass sie nicht wieder in den Park gehen sollten.
    Im Lager rannten die kleinen Kinder auf Petra zu und zupften sie freudig am Ärmel. Neel begrüßte seine Mutter und ließ etwas Geld in ihre Rocktasche gleiten. Dann sprang er in den Wagen, um die Flasche zu holen.
    Ethelenda stellte Petra einer alten Frau namens Drabardi vor, die für ihr Alter überraschend gut in Form wirkte. Sie sagte etwas zu Petra, und Ethelenda übersetzte: »Sie bietet an, dir wahrzusagen.«
    Petra war es nicht wohl bei dieserVorstellung. Nicht zum ersten Mal war sie froh, eher die Begabung ihres Vaters als
die ihrer Mutter geerbt zu haben. Geistmagie mochte sie am wenigsten.Trotz - oder vielleicht auch gerade wegen - der Tatsache, dass ihre Mutter in die Zukunft sehen konnte, vermittelte ihr allein schon der Gedanke an solche Magie wie das Zweite Gesicht, Wahrsagen oder Gedankenlesen das Gefühl, als ob sie etwas niederdrücken würde.Wie damals, als sie krank war und Dita sie in eine Vielzahl von Decken gepackt hatte, bis sich Petra nicht mehr bewegen konnte. Sie konnte nur daliegen, atmen und schwitzen. Petra bemühte sich, ihre Ablehnung Drabardi gegenüber möglichst höflich zu formulieren. Die Frau war vielleicht eine Betrügerin, doch selbst wenn sie das nicht war, wollte Petra einfach nicht hören, was sie zu sagen hatte. Soweit Petra wusste, hatte es noch nie jemandem genützt, die Zukunft zu kennen. Drabardi lachte und sagte etwas. Ethelenda übersetzte mit erstaunter Stimme. »Sie sagt, du hättest wahrscheinlich recht.«
    Petra war erleichtert, als Neel wieder aus dem

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