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Das Kabinett der Wunder

Titel: Das Kabinett der Wunder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Rutkoski
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etwas Staub auf und warf ihm den in die Augen. Dann rannte sie davon und ließ ihn, humpelnd, fluchend und sich das Gesicht reibend, zurück.
    Nachdem sie das Lager erreicht hatte, verließ sie die Lowari fast sofort. Neel erzählte sie nichts von ihrem Zusammenstoß mit Emil, aber sie wollte nicht mehr in der Nähe sein, wenn der Mann zurückkam. Da Neel die Nacht bei
den Lowari bleiben wollte und sie alleine zur Burg zurückgehen musste, sagte sie, sie wollte losgehen, ehe es dunkel würde.
    Neel nickte. »Komm am Morgen vor dem Fest in den Stall«, sagte er. »Wir müssen einen Plan machen.«
    Doch als Petra den Berg hinaufging, entschied sie, dass sie Neel am Tag der Geburtstagsfeierlichkeiten nicht treffen wollte. Sie würde das Kabinett der Wunder alleine suchen. Nicht weil Emil ihr Angst gemacht hätte, sondern weil es stimmte, was er gesagt hatte.

Der Geburtstag des Prinzen
    PETRA BEGRÜSSTE den großen Tag mit starkem Herzklopfen. Es fiel ihr schwer, sich den Tag über in der Färberei zu konzentrieren, wo sie und Iris erlesene Farbstoffe für die Küche zusammenmengten, um die Nachspeisen für das Fest strahlender aussehen zu lassen. Iris war nicht besonders erbaut darüber, irgendetwas dafür zu tun, um Meisterin Hilds Bemühungen besser aussehen zu lassen. Doch insgesamt war sie gut gelaunt, denn vor einigen Tagen hatte sie dem Prinzen seine Rodolfiniumgewänder persönlich übergeben und dafür ausschließlich wärmstes Lob eingeheimst. Daher kicherte Iris auch nur, als Petra statt Pfingstrosenrosa einen kränklich grünen Farbstoff fabrizierte. »Du bist einfach aufgeregt, mein Lämmchen, stimmt’s? Du und die halbe Burg! Die Festlichkeiten haben bereits begonnen, jetzt gerade, wo wir hier noch in meinem Labor sitzen. Und ich denke mal, du hast noch nie ein Feuerwerk gesehen, oder?«
    »Was ist ein Feuerwerk, Iris?«
    »Oh, du wirst es schon sehen.«
    Den Dienern würde erst am Abend freigegeben werden.
Während des Tages würden sich Prinz Rodolfo und seine Gäste im Park aufhalten und es sich in seiner künstlichen Wärme zwischen den leuchtenden Blumen gut gehen lassen. Sie würden von Theatervorführungen ebenso unterhalten werden wie von Akrobaten (Petra hatte gehört, dass ein Hochseil fünfzig Fuß über dem Boden gespannt worden war) und musikalischen Arrangements. Danach würden sie sich zu einem aufwendigen Mahl mit vierzehn Gängen niederlassen. Nach den Nachspeisen würden sich die edlen Damen und Herren gegen Mitternacht wieder in den Park begeben, um das Feuerwerk zu genießen, was immer das auch sein mochte. Der Dienerschaft war es gestattet worden, dem Umzug des Adels und dem Feuerwerk vom Vorhof aus zuzusehen.Wenn dann die Hofgesellschaft in die Burg zum Maskenball zurückkehrte, der bis zur Morgendämmerung dauern sollte, durfte sich die Dienerschaft selbst bei einem köstlichen Mahl mit Schweinebraten und mehreren Fässern Bier bewirten. Und während des Maskenballs und des Festessens der Dienerschaft hoffte Petra, das Kabinett der Wunder des Prinzen zu finden.
    Iris zog ihre Arbeit den Vorführungen im Park vor. Doch später würde sie sich dem Hof zum Festmahl, dem Umzug und dem Tanz anschließen.
    »Hast du keine Angst, dass du einen Säureanfall bekommst?«, fragte Petra.
    »Ich glaube, dazu werde ich dann zu fröhlich sein. Es sei denn, natürlich, wenn ich beim Essen zwischen irgendwelchen Trotteln zu sitzen komme, was sehr wohl möglich ist, da es am Hof so viele davon gibt. Und bestimmt
wird mich niemand zum Tanzen auffordern. Ich werde in einer Ecke sitzen und Punsch trinken in der Hoffnung, dass einer der jungen Herren mit Flausen im Hirn einen Streit vom Zaun bricht. Dann bekäme ich wenigstens keinen Tobsuchtsanfall aus Langeweile. Aber so ist es halt.« Ihr Gesicht hellte sich auf. »Meine Anwesenheit ist von höchster Stelle angeordnet worden«, sagte sie stolz. »Prinz Rodolfo wünscht ausdrücklich, dass ich die Reaktionen auf seine neuen Gewänder sehe.«
    Petra fühlte sich ein bisschen schuldbewusst, dass sie Neel an diesem Morgen versetzt hatte. Doch sie sagte sich, dass sie sich viel schlimmer fühlen würde, wenn Neel zu einem Geheimnis des Hauptmanns der Wache würde, das der dann eines Abends in sein Sorgenfläschchen flüstern würde. Als es für die Dienerschaft Zeit wurde, sich im Vorhof der Burg zu versammeln, mied Petra Sadi, weil sie befürchtete, dass Neel vielleicht in dem blaugrauen Menschenmeer steckte und seine Schwester und sie suchen würde.

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