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Das Kabinett der Wunder

Titel: Das Kabinett der Wunder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Rutkoski
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Prinz hebt sie in einem Medaillon auf.Wenn er sie in seine Hand kippt - nur in seine Hand wohlgemerkt -, wächst sie, bis sie den Boden bedeckt. Dann kannst du über die Kontinente gehen, und die Ozeane verwandeln sich tatsächlich in kleine Teiche, ungefähr zwei Fuß tief. Diese Karte ist eine wunderbare Erfindung.«
    »Wie ist seine Bibliothek?«, fragte Astrophil gespannt.
    »Unbeschreiblich. Und der Prinz hat mir freien Zugang zu allem gewährt, was ich lesen wollte. Die silberne Decke der Bibliothek ist so gestaltet, dass sie aussieht wie die Mondoberfläche, die mir der Prinz durch eine lange
Röhre mit gewölbten Linsen an beiden Enden gezeigt hat. Du weißt das vielleicht nicht, doch der Mond ist nicht so glatt, wie er aussieht. Er ist übersät mit Löchern und so ist es auch mit der Decke der Bibliothek. Rot gefiederte Vögel leben in diesen Löchern und helfen, die Bibliothek vor gefräßigen Käfern zu bewahren, die in die Bibliothek eindringen und an den Buchseiten nagen. Na ja, Astrophil, dieser Teil wird dir nicht so behagen.«
    Astrophil war empört. »Ich bin kein Bücherwurm! Ich fresse keine Bücher! Ich bin kein Libriovore.«
    Ihr Vater zuckte mit den Schultern. »Ist das ein Wort?«
    »Das ist einer, der Bücher auffrisst.«
    »Was spielt das für eine Rolle?«, mischte sich Petra ungeduldig ein. »Vater, warum stellst du es so dar, als ob der Prinz und du richtige Freunde gewesen wärt? Er hat dich schließlich geblendet!«
    Mikal Kronos schwieg eine Weile. Dann sagte er langsam: »Ja, Petra. Ich bin mir dessen bewusst.«
    Seine Stimme klang sanft, doch Petra schlug die Augen nieder und schämte sich für ihren Ausbruch.
    »Am Hof zu sein, war sehr … aufregend für mich«, fuhr ihr Vater fort. »Ich fühlte mich von seiner Begeisterung für meine Arbeit sehr geschmeichelt. Er war so großzügig. Wenn ich einen Einfall hatte, lobte er ihn. Wenn ich Unterstützung brauchte, sorgte er dafür, dass ich sie bekam. Er stellte mich vielen von Europas besten Künstlern vor, die mir bei der Ausarbeitung einiger der eindrucksvollsten Teile der Uhr halfen - ihren Figuren, ihren mit Gold ausgelegten Verzierungen und bei einem schmückenden Kreis,
so groß wie ein Teich, in den ein Rapsfeld gemalt ist, das während des Tages im Sonnenlicht leuchtet und während der Nacht in dunklen Wellen aufblüht. Die Sterne an der Uhr funkeln und sie verändern ihre Position je nach Jahreszeit.« Ihr Vater verstummte. Petra wartete.
    »Die Uhr ist das Schönste, was ich je geschaffen habe. Der Prinz hat darauf bestanden, dass sie mehr als nur funktional sein sollte. Sie sollte die Menschen auch mit ihrer unglaublichen Schönheit verblüffen. Und das wird sie auch, sobald sie der Öffentlichkeit gezeigt wird. Ich weiß, dass sie es wird, denn sie ist eines der letzten Dinge, das ich gesehen habe. Sie ist in mein Gedächtnis eingebrannt.«
    »Aber …« Petra zögerte. »Ich verstehe das nicht. Wenn der Prinz von der Uhr so begeistert war, warum hat er dir das dann angetan?«
    »Der Prinz hat gesagt, dass es eine Ehre wäre, meine Augen wegzugeben. Dass ich meine Genialität verriete, würde ich jemals ein geringeres Objekt schaffen. Ich bin mir nicht sicher, ob Genialität so unbedingt das geeignetste Wort war, das er verwenden konnte, denn es scheint so, als habe der Prinz mehrere Blickwinkel, die … fragwürdig sind. Als die Soldaten mich an einen Stuhl gefesselt hatten, versprach der Prinz, ich würde für die Arbeit, die ich verrichtet hatte, gemäß unserer ursprünglichen Vereinbarung bezahlt. Dann sagte er, dass er mich um die Art beneidete, wie ich die Welt sähe, und dass ich sie auf eine ganz bestimmte Weise sehen müsste, um so eine bewundernswerte Sache zu schaffen. Ich denke …« Seine Stimme verebbte. Dann setzte er wieder an: »Ich denke, er hat mir die Augen
aus zwei Gründen genommen. Erstens will er nicht, dass irgendjemand … er will nicht, dass ich eine weitere solche Uhr schaffe oder irgendetwas, das mit ihr in Konkurrenz treten könnte. Und zweitens hat er vor, meine Augen selbst zu benutzen. Sie zu tragen, könnte man sagen.«
    »Sie zu tragen? Ist das denn möglich?«
    Ihr Vater zuckte mit den Schultern. »Alles ist möglich. Man braucht nur den richtigen Zauberspruch, das richtige Wissen oder den richtigen Geistesblitz, um etwas zum Funktionieren zu bringen. Wenn ich irgendetwas in den sechs Monaten bei Hofe gelernt habe, dann dass unsere Welt immer größer wird und dass Böhmen nur ein

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