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Das Kabinett der Wunder

Titel: Das Kabinett der Wunder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Rutkoski
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Fleck gelber Farbe auf der Landkarte ist. Ich weiß, dass ein Zauber über meine Augen gelegt wurde, der dem Prinzen erlauben soll, sie zu tragen.Von so etwas habe ich zuvor noch nie gehört. Aber die Forschungsreisenden des Prinzen stoßen in neue Ecken der Welt vor, in den Orient, in den Dschungel und die Berge von Eis, wo Menschen auf Wölfen reiten und nur Luft essen. Zweifellos gibt es da viele Sprüche und Formen der Magie, die wir gar nicht erkennen würden. Und zweifellos hat der Prinz so viele Informationen wie möglich über diese neuen Formen der Magie gesammelt.«
    »Wenn der Prinz deine Augen tragen kann, kann er dann auch Dinge bewegen, ohne sie zu berühren? Kann er dann bauen, was du bauen kannst?«
    Als ihr Vater antwortete, klangen seine Worte schroff. Seine Stimme enthielt etwas, das Petra kannte, aber nicht recht zuordnen konnte, denn sie hatte es nie vorher bei
ihm gehört. »Er hat mir die Augen gestohlen, Petra, nicht den Geist.«
    Eine Weile schwiegen sie beide und diese Stille war sehr unbehaglich. Dann sagte ihr Vater etwas leiser: »Würde es dich stören, wenn ich ein bisschen schlafe?« Er streichelte ihre Hand. »Es ist gut, zu Hause zu sein.«
    Sie küsste ihn auf die Stirn. »Ich komme später wieder.«
    Als sie die Tür öffnete, um zu gehen, wurde Petra plötzlich bewusst, was sie in seiner Stimme gehört hatte. Sie hatte es oft bei Josef gehört. Es war Verbitterung.

Blitz und Wespe
    PETRA SCHLOSS den Laden hinter sich ab und ging die Straße hinunter. Sie hatte eine Idee.
    Als sie sich der Ortsmitte von Okno näherte, hallte das weiche Tappen ihrer Schritte von den steinernen Mauern wider. Die Straße lag schnurgerade vor ihr. Sie kam an der Bäckerei vorbei, wo man gerade zum dritten Mal an diesem Tag frisches Brot zu backen begann. Petra spähte durch ein offenes Fenster und sah, wie starke Arme den Teig auf einen Holztisch warfen.
    Dass alles so normal wie immer war, kam Petra seltsam vor.
    Sie erreichte die Hauptstraße, in der ein Laden ordentlich neben dem anderen lag. Über den Eingangstüren hingen Holzschilder, jedes mit einem anderen Bild, sodass Menschen, die nicht lesen konnten, trotzdem den Laden fanden, zu dem sie wollten.
    Jungfer Jugo warf Petra einen säuerlichen Blick zu und zog sich in ihren Spielzeugladen zurück, der durch ein Holzschild mit dem Bild eines Kreisels gekennzeichnet war. Obwohl Petras Vater ihr immer wieder erklärt hatte,
dass seine Zinntiere nur in begrenzter Zahl hergestellt wurden und lediglich ein Nebenprodukt seines Handels mit Metallarbeiten waren, hatte Jungfer Jugo seit Jahren nicht mehr mit der Familie gesprochen. Sie hielt Meister Kronos’ Erfindungen für den Anfang eines sich langsam entwickelnden Plans zur Übernahme der gesamten Spielzeugproduktion des Orts. Ganz zu schweigen davon, dass Meister Kronos’ Tiere eine schockierende öffentliche Demonstration seiner magischen Fähigkeiten waren. Und diese Begabung sollte jede ehrbare Person (nach Jungfer Jugos Meinung) anständigerweise für sich behalten.
    Petra ging zügig weiter, bis sie das »Haus zum Feuer« erreichte, ein Laden, in dem Glaswaren verkauft wurden. Dieses Geschäft hatte große, glitzernde Schaufenster aus Glas, das aus vielen diamantförmigen Scheiben bestand. Diese waren aneinandergesetzt und wurden von kreuz und quer verlaufenden schmalen Bleibändern zusammengehalten. Ein paar bunte Scheiben zwinkerten Petra zu. In einem Fenster über der Tür leuchtete in roten Buchstaben der Name STAKAN. Hier wohnte ihr Freund Tomik mit seiner Familie.
    Petra betrat den Laden, der leer war bis auf einen Zinnkater, der sich neben dem Eingang zusammengerollt hatte. Träge öffnete er ein grünes Auge und schloss es dann gleich wieder.
    »Jaspar, ich muss Tomik sprechen und auch Meister Stakan. Es ist wichtig.«
    Der Kater hielt die Augen geschlossen und schnurrte. Oder schnarchte. Das war schwer zu unterscheiden.

    Empört raste Astrophil Petras Arm nach unten, doch sie legte die gewölbte Hand über ihn und achtete nicht darauf, dass seine spitzen Beine in ihre Handfläche stachen. Die Spinne missbilligte Jaspar im Allgemeinen und sein schlechtes Benehmen im Besonderen.
    »Du machst alles nur noch schlimmer«, zischte Petra. »Wer macht alles noch schlimmer?« Jaspar öffnete ein Auge.
    »Astrophil.«
    »Wer?«
    »Astrophil.«
    »Wer?«
    »Ich!«, quiekte Astrophil unter Petras Hand.
    »Oh.« Der Kater kuschelte den Kopf unter eine Pfote. »Der ist nicht wichtig.«
    »Aber

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