Das Kabul-Komplott - Bannel, C: Kabul-Komplott
Ihnen«, raunte er dicht an seinem Ohr. »Setzen Sie Ihre Arbeit fort, aber im richtigen Rhythmus. Finden Sie das Geheimnis Wali Wadis heraus.«
»Wir werden sehen, ob
mein
Rhythmus und
meine
Art, dies zu tun, sich mit den Ihren vertragen«, gab Osama zurück und sah den Minister dabei direkt an.
»Das hoffe ich von ganzem Herzen,
Qoumaandaan
. Bleiben Sie vor allem auf der Hut, Ihr Leben hängt nur an einem seidenen Faden.«
Die ganze Rückfahrt über dachte Osama an seine Unterredung mit dem Justizminister. Vermutlich hatte auch er ein Eigeninteresse an diesem Fall. Obwohl er Tadschike war, stand er in dem Ruf, von bestimmten Paschtunen sehr geschätzt zu werden, denn er hatte niemals ein gutes Verhältnis zu Massud gehabt. Er war prowestlich eingestellt, hatte aber milde Strafen für die moderaten Taliban gefordert und sogar zum Dialog mit Mullah Omar aufgerufen. Es ging sogar das Gerücht, er habe einigen von ihnen zur Flucht verholfen, zugleich aber die Todesstrafe für diejenigen gefordert, die sich für die Machtergreifung der arabischen Islamisten starkgemacht hatten. Stürzten prominente Mitglieder der Regierung Karzai wegen Korruptionsaffären, so konnte er seine Macht ausbauen, im Zuge der nächsten Loja Dschirga kandidieren und einen Ministerposten oder sogar das Amt des Präsidenten anstreben. Osama seufzte. Er, der Politik doch immer verabscheut hatte, steckte nun bis zum Hals in ihrem Sumpf.
13
Nick starrte zum finsteren Himmel über Bern empor. Seit seinen jüngsten Entdeckungen hatte sich seine Laune kaum gebessert. Voll heimlicher Furcht beobachtete er seine Kollegen und fragte sich im Stillen, wer wohl darüber Bescheid wusste, was in der Firma tatsächlich ablief. Ihm war bewusst, dass seine Recherchen nun zum Stillstand zu kommen drohten. Zwar hatte er die falsche Identität des flüchtigen Léonard herausgefunden, aber das war eine unzureichende Angabe. Während er ein Croissant verzehrte, las er wieder und wieder die verschiedenen Berichte. Die einzige noch unerforschte Spur war die eines Geistlichen, der Léonard im Verlauf der letzten Monate bei seinen spirituellen Erkundungenzur Seite gestanden hatte. Der Mann, der den Auftrag hatte, ihn zu verhören, war ein ehemaliges Mitglied der Spezialeinheit. Nicht unbedingt das Profil eines Spezialisten für psychologische Verhörtaktik.
Nachdem er seinen Kaffee getrunken und die Tasse in der Spüle ausgewaschen hatte, stieg Nick ins Auto. Allmählich gewöhnte er sich an die Strecke Bern–Zürich. Die Gemeinde lag im Norden Zürichs, in Saatlen. Der Geistliche Kingston Dana war ein ehemaliger Häftling, dessen Strafregister mit fünfzehn schon randvoll gewesen war: Beamtenbeleidigung, Graffiti, Diebstähle, Einbrüche, Gewalttätigkeiten … Mit sechzehn wurde Dana wegen eines bewaffneten Überfalls auf ein Spirituosengeschäft in Lausanne verhaftet. Er bekam fünf Jahre, von denen er wegen seines jugendlichen Alters zum Zeitpunkt des Verbrechens und seiner guten Führung nur zwei Jahre absitzen musste. Im Gefängnis fand er schließlich zum Glauben und auch zu seiner wahren Berufung. Er zog von Lausanne nach Zürich, wo ihn eine protestantische Kirchengemeinde aufnahm. Im Seminar fiel er positiv auf, und so schloss er seine Priesterausbildung mit Auszeichnung ab und betreute seit zehn Jahren eine eigene Gemeinde. Wie viele andere Kirchenmänner, die Minderheiten entstammten, versuchte er, Jugendliche, die in Schwierigkeiten geraten waren, wieder in die Gesellschaft einzugliedern. In dem Bericht der Firma, der ihm gewidmet war, fand sich der Hinweis, den Zeugen besonders vorsichtig anzufassen, da er gute Kontakte zu den Medien hatte und ihm die Polizei nicht sonderlich am Herzen lag.
Nick hielt vor einem weißgestrichenen Gebäude aus Beton an, das ein kümmerlicher Garten umgab. In der Umgebung standen Arbeiterhäuschen und mehrere verfallende Sozialwohnungsblocks. Er stieß die Tür zum Innenraum der Kirche auf.
»Was kann ich für dich tun, mein Bruder?«, ertönte eine tiefe Stimme aus dem Dunkel.
Ein Mann trat auf ihn zu, das schwarze Gewand bis zum Hals zugeknöpft. Er war riesig, fast zwei Meter lang, hatte einen enormen Bauchumfang und ein feistes Gesicht. Er musste mindestens hundertfünfzig Kilo wiegen, es ging eine unheimliche körperliche Kraft von ihm aus, so, als steckte in dem Geistlichen noch immer der ehemalige Knastbruder.
»Sind Sie Pater Kingston Dana?«
»Der bin ich. Und du, wie heißt du?«
»Nick. Verzeihen Sie,
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