Das Kabul-Komplott - Bannel, C: Kabul-Komplott
ich bin zum ersten Mal in einer protestantischen Kirche. Wie darf ich Sie ansprechen? Vater oder Bruder?«
»Rede mit mir, wie dein Herz es dir befiehlt. Was tust du hier in unserem Gotteshaus?«
Nick beschloss, dem Pater die Wahrheit zu sagen und nicht um den heißen Brei herumzureden.
»Ich suche einen Ihrer Gläubigen.«
»Um wen handelt es sich denn?«
»Léonard.«
Das Gesicht des Pastors zeigte keinerlei Reaktion, doch nach mehreren Jahren beim Geheimdienst hatte Nick eine spezielle Antenne entwickelt. Dana hatte unmerklich reagiert, als er den Namen genannt hatte.
»Er zählt zu meinen Schäfchen, aber ich habe ihn lange nicht mehr gesehen. Du bist kein Freund von ihm, nicht wahr?«
»Ehrlich gesagt, nein.«
»Das habe ich gespürt. Ich habe ein feines Gespür dafür, um Polizisten zu erkennen, wissen Sie.«
»Ich bin kein Polizist und auch nicht Léonards Feind. Können wir uns irgendwo ungestört unterhalten?«
»Über welches Thema? Ich glaube nicht, dass ich dir irgendetwas zu erzählen hätte.«
»Aber ich habe Ihnen etwas zu erzählen.«
Nach kurzem Zögern gab Dana ihm ein Zeichen, er möge ihm folgen. Der Geistliche führte Nick in einen kleinen, spärlichmöblierten Raum und bat ihn, Platz zu nehmen. Ein altes Sofa, ein Holztisch und Plastikstühle standen herum, die Wände waren mit ein paar schlichten Plakaten auf Deutsch und auf Französisch dekoriert. Nichts war schön oder ausgefallen, und doch fühlte sich Nick auf der Stelle wohl.
»Lass hören.«
Ohne die Identität seines Arbeitgebers zu enthüllen, erzählte Nick ihm die Geschichte von dem Schusswechsel in dem besetzten Gebäude. Als er geendet hatte, ging Dana zu einem kleinen Getränkeschrank hinüber. Er entnahm ihm zwei Flaschen französisches Bier und stellte sie auf den Tisch.
»Hast du Durst?«
»Ja, danke.«
»Du spielst ein gefährliches Spiel. Du bist mutig. Sofern du dir überhaupt bewusst bist …«
»Ich habe schon Schlimmeres erlebt. Die Nordwand des Mont Blanc, mitten im November, ganz allein.«
»Hier handelt es sich nicht um Sport, sondern um Politik. Du bist noch jung, zweifellos zu jung für eine Angelegenheit dieser Tragweite. Du scheinst die Konsequenzen deines Handelns nicht völlig zu begreifen.«
»Das ist eine Frage, die ich mir erst stelle, wenn ich die ganze Wahrheit kenne. Im Augenblick bin ich noch viel zu weit davon entfernt.«
»Was wirst du tun, wenn du Léonard gefunden hast?«
»Ich weiß noch nicht. Ich möchte erfahren, was hinter alldem steckt. Damit mein Freund Werner nicht umsonst gestorben ist.«
»Glaubst du, Léonard würde dir dabei helfen wollen?«
»Er kann nicht bis ans Ende seiner Tage untertauchen. Es wäre besser für ihn, wenn er alles enthüllte, was er weiß. Ist die Wahrheit erst einmal ans Licht gekommen, wird niemand mehr ein Interesse daran haben, nach ihm zu suchen, um ihn umzubringen.«
»Da täuschst du dich. Léonard ist ein überaus intelligenter Mensch. Sie werden ihn niemals finden.« Der Riese schüttete einen großen Schluck Bier in sich hinein. »Deine Kollegen sind mächtig, aber dumm«, sagte er dann. »Es war ein Mann hier, der sich für einen Polizisten aus Lausanne ausgab, aber ich weiß, dass dies nicht stimmte. Er war ein ehemaliger Militärangehöriger mit den Augen eines Killers. Er spielte das unschuldige Lämmchen, aber ich habe lange genug im Knast gesessen, um einen echten Schurken zu erkennen, wenn ich einen sehe. Schließlich war ich seinerzeit ja auch einer.« Er nahm wieder einen tiefen Schluck. »Léonard hatte Angst, er kam hierher, nachdem er untergetaucht war. Einmal übernachtete er sogar hier im Pfarrhaus, aber er blieb nicht lange, er wusste, dass diese Hundesöhne hier nach ihm suchen würden. Ich schlug vor, ihn mit Leuten zusammenzubringen, die ihm helfen könnten, aber er kannte jemanden, von dem er mir nichts erzählt hat. Er verschwand noch am selben Tag, und ich habe seitdem nichts mehr von ihm gehört.«
»Ich weiß, wer das war. Yasmina, die ehemalige Prostituierte. Ich habe sie ausfindig gemacht.«
»Du bist gewiefter als deine Kameraden.«
»Ich kenne den Namen, unter dem Léonard sich jetzt versteckt hält. Doch das reicht mir nicht.«
Nachdem er seine Bierdose geleert hatte, drückte Dana sie wie ein Blatt Papier zusammen und warf sie in einen Mülleimer. Die Dose landete exakt in der Mitte der Rundung, was die Andeutung eines zufriedenen Lächelns auf seinem Gesicht hervorrief.
»Was willst du denn
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