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Das Kabul-Komplott - Bannel, C: Kabul-Komplott

Das Kabul-Komplott - Bannel, C: Kabul-Komplott

Titel: Das Kabul-Komplott - Bannel, C: Kabul-Komplott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cédric Bannel
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speziell für Kinder angefertigt werden. Sie fühlen sich von den kräftigen Farben angezogen. Wenn ein Kind eine aufhebt, wird ein Detonationsmechanismus ausgelöst. Hier in diesen Bergen gibt es viele Kinder, denen eine Spielzeugmine die Hand oder den Arm abgerissen hat. Widerwärtig.«
    Rangin schwieg schockiert. Er war ein junger Mann aus der Hauptstadt, der nicht Bescheid wusste über all die Grausamkeiten, die auf dem Land begangen worden waren, sowohl von den Russen als auch von den Taliban. Osama beneidete ihn um die Fähigkeit, sich noch entrüsten zu können. »Ich habe Angst, dass sie uns einholen. Fahren wir denn schneller, als ein Mensch zu Fuß geht?«, fragte Rangin nach einer Weile beunruhigt.
    »Nur unwesentlich«, erwiderte Osama.
    Als sie auf der Spitze des ersten Hügels waren, griff Osama nach dem Fernglas. Die Taliban hatten inzwischen beinahe das Dorf erreicht.
    »Sie werden doch nicht alle umbringen?«, fragte Rangin voller Sorge.
    »Nein. Hier auf dem Land ist die
Melmastia
oberstes Gebot. Man kann diesen Dorfbewohnern nicht verübeln, dass sie anderen Muslimen Gastfreundschaft gewährt haben.«
    Ein Schuss, dem weitere folgten, widerlegte Osamas Worte. Leichenblass griff er erneut zum Fernglas. Er sah, wie die Krieger die Dorfbewohner aus den Häusern scheuchten und sie zu Boden warfen.
    »Mein Gott, sie werden sie doch nicht umbringen, diese Dreckskerle!«, rief Rangin. »Wir müssen hin, um ihnen zu helfen!«
    »Wir sind zu dritt, und sie sind mehr als zwanzig. Alles, was wir erreichen werden, ist, dass sie uns auch umbringen.«
    Osama hoffte, dass sie die Frauen wenigstens sofort umbrachten, obwohl er nur zu gut wusste, dass es anders laufen würde. Sie würden sie erst foltern und vergewaltigen, ehe sie sie töteten. Nach ihrer Untat würden sie die Häuser anzünden und anschließend die ISAF-Schutztruppe des Verbrechens bezichtigten, ein Attentat der Alliierten sei fehlgeschlagen, behaupteten sie dann. Einige Journalisten glaubten ihnen, andere nicht, obwohl sie die Nachricht dennoch brachten, denn ein Krieg, bei dem keine Unschuldigen ums Leben kamen, interessierte niemanden. Viele Massaker der Taliban waren den amerikanischen Bombern in die Schuhe geschoben worden und hatten die Ressentiments einer unzureichend informierten Bevölkerung geschürt, die stets bereit war, zu glauben, dass die Besatzungsmächte für die Gräueltaten verantwortlich waren.
    Zwei Stunden fuhren sie unbehelligt weiter, mit derselben nervtötenden Schrittgeschwindigkeit. Ab und zu prüfte Osama mit dem Fernglas die Lage. Der Abstand zwischen ihnen und ihren Verfolgern hatte sich kaum verringert. Wenn sie jetzt eine Panne hatten, wären sie verloren. Gleichsam als Echo auf seine Gedanken stieß Abdullah plötzlich einen Fluch aus.
    »Was ist los?«, fragte Osama.
    »Wir haben einen Platten.«
    In fiebriger Hast wechselten sie den Reifen. Die Bolzen hatten sich verklemmt, sie dachten schon, sie könnten das Rad niemals abschrauben. Endlich fuhren sie weiter, nachdem sie mehr als eine halbe Stunde gestanden hatten. Der Pass, den der Dorfälteste erwähnt hatte, ragte vor ihnen auf. Plötzlich tauchten zwei Männer wie aus dem Nichts auf dem Kamm auf. Männer mit Turbanen und einem Gewehr in der Hand.
    »Halt an«, befahl Osama.
    Er stieg mit der Dragunow aus. Das Gewehr mit dem charakteristischen massiven Holzkolben und dem riesigen Zielfernrohrwar ihm vertraut, er hatte jahrelang damit gelebt, hatte damit gekämpft, es nachts an sich gedrückt, hatte es beim Schießen an seine Wange gepresst und jedes Mal sein Zittern gespürt, wenn sich der ohrenbetäubende Schuss löste. Während er eine Kugel in den Gewehrlauf steckte, erinnerte er sich voll Bitterkeit daran, dass er sich geschworen hatte, nie mehr ein Gewehr mit Zielfernrohr zu benutzen. Doch was galt schon ein Versprechen in Afghanistan? Er verfluchte die Taliban und stützte sich mit dem Gewehr auf das Autodach. Die Silhouette des ersten Mannes war deutlich im Visier zu sehen. Er drehte am Schärferegler. Der Mann war ungefähr tausend Meter weit weg, es wehte ein heftiger Wind, seine Zielobjekte waren in ständiger Bewegung. Ein kniffliger Schuss, der nur ganz wenigen Scharfschützen unter diesen Bedingungen glückte.
    Die Detonation hallte wie Kanonendonner in der Stille des Tales wider. Eine der beiden Gestalten bäumte sich auf und wurde dann wie eine Marionette nach hinten gerissen. Osama ließ dem zweiten Taliban keine Zeit zum Überlegen, er lud

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