Das Kabul-Komplott - Bannel, C: Kabul-Komplott
er die Manipulation, deren Opfer er geworden war, durchschaut hatte. Schlimmer war, dass er ebenfalls begriffen zu haben schien, dass die Firma mit dem Mordversuch an Kommissar Kandar einen schweren Gesetzesbruch begangen hatte. Joseph wusste nicht, was Nick in den Computerdateien des Generals entdeckt hatte, aber er konnte es sich gut vorstellen. Es würde reichen, um einen enormen Skandal zu provozieren und sie alle ins Gefängnis zu befördern.
Er musste ihn wiederfinden und töten, bevor es zu spät war.
Wie hatte Nick, ein Analyst, der keinerlei Erfahrungen mit militärischen Operationen besaß, einfach untertauchen können? Noch hatte Joseph keine Antwort darauf, was einen weiteren beunruhigenden Faktor darstellte. In seinem Beruf entstanden aus solchen Details oft die größten Katastrophen. Unbedeutende Ereignisse, die im Zusammenspiel die Situation total außer Kontrolle geraten ließen. Es klopfte an seiner Tür, ein Mann legte ein Blatt auf seinen Schreibtisch. Jede Stunde reichte einer seiner Mitarbeiter eine Zusammenfassung der bisherigen Ergebnisse herein. Bislang hatten sie nicht viel herausgefunden. Fest stand, dass Nick nach Italien gefahren war, denn sein Wagen war auf einem Langzeitparkplatz auf der anderen Seite der Grenze gefunden worden. Im Wageninneren waren Blutspuren sichergestellt worden. Die Spurensicherung hatte eine DNA-Analyse durchgeführt, mit deren Ergebnissen in zwei Stunden zu rechnen war. Natürlich konnte dies eine falsche Spur sein, ein eigens für sie ausgelegter Köder, doch hatte Joseph seine Zweifel daran. Eine Staffel K-Männer mit Helikopter war in Mailand postiert worden und konnte imBedarfsfall einen Großteil des italienischen Territoriums abdecken. Der Gedanke, dass Nick schlauer gewesen sein könnte als er, rief kalte Wut in Joseph wach. Er hasste Misserfolge. Jetzt musste er ihn unbedingt finden. Sein einziger Trost war, dass Nick nicht unbemerkt ein Flugzeug besteigen konnte. Er hatte diesen Gedanken noch nicht zu Ende gedacht, als eine andere Überlegung ihn durchzuckte. Er rief einen seiner Männer.
»Wo werden die unbenutzten Pässe gelagert?«
»Im Tresor.«
»In der Abteilung Logistik und technischer Support?«
»Ja, Chef.«
»Nick hat bei seinem Eintritt in die Firma sechs Monate in dieser Abteilung gearbeitet. Sehen Sie mal nach, ob einer fehlt.«
Ein paar Minuten später kam der Mann zurück, einen Karton in Händen.
»Hier drin sind vierundzwanzig Pässe, ich weiß nicht, ob einer fehlt.«
»Idiot! Es ist doch alles digital gespeichert.«
Sie gingen zu einer Programmiererin hinüber, einer fülligen Blondine, die eine Verbindung zum zentralen Server der Firma herstellte.
»In dem Karton müssten fünfundzwanzig Pässe sein«, verkündete sie.
»Suchen Sie den fehlenden Pass«, befahl Joseph.
»Es ist die Nummer 5678XV79«, teilte die Programmiererin wenige Augenblicke später mit. Ein belgischer Pass.
»Überprüfen Sie, ob er bei einer Fluggesellschaft registriert wurde.«
Sie öffnete ein neues Fenster, um sich in den Zentralrechner des Eidgenössischen Verkehrsdepartements einzuloggen, welches wiederum mit den meisten europäischen Ländern verbunden war. Es tauchte auf der Stelle ein Ergebnis auf. Ein Flug nach Dubai von italienischem Territorium aus.
»Ist das ein Irrtum?«, fragte der K-Mann, der ihr über die Schulter blickte.
»Nein. Nein, das ist kein Irrtum!«, rief Joseph. »Zeigen Sie mal das Passfoto.«
Sie klickte auf einen Thumbnail, um das Einreiseformular aufzurufen, das mit dem Pass verknüpft war.
Mit dem neuen biometrischen System war das Ganze ein Kinderspiel geworden. Gleich darauf füllte ein Foto den Bildschirm aus. Es war Nick.
»Suchen Sie mir alle Strecken heraus, die mit diesem Pass benutzt wurden. Sehen Sie sich auch die Eintragungen zu Nicks offiziellem Pass an, und finden Sie heraus, ob es Anschlussflüge bei Fluggesellschaften gibt, die ihre Passagierlisten nicht von sich aus veröffentlichen.«
Die Blondine begann mit Höchstgeschwindigkeit zu tippen. Gut zehn Minuten später drehte sie den Bildschirm zu ihnen hinüber.
»Ich habe einen einzigen Anschlussflug gefunden. Dubai– Islamabad mit Fly-Dubai, einem lokalen Billigunternehmen.«
»Was zum Teufel will er in Pakistan?«, fragte der K-Mann.
»Da fährt er nur durch, du Idiot. Er will nach Afghanistan. Über den Khaiberpass.«
»Aber … was will er dort?«
Auf einmal fiel es Joseph wie Schuppen von den Augen. Es war unglaublich. Völlig
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