Das Kabul-Komplott - Bannel, C: Kabul-Komplott
von Washington finanziert. Wussten Sie das nicht? Als wir damals an die Macht kamen, herrschte innigstes Einverständnis zwischen uns und den Vereinigten Staaten. Wir hatten die Opiumproduktion beinahe völlig abgeschafft, während dieses Land mittlerweile dank der Internationalen Schutztruppe und des korrupten Karzai-Regimes fast achtzig Prozent der Weltproduktion erzeugt. Wir hielten regelmäßigen Kontakt zu einflussreichen westlichen Persönlichkeiten, außerdem zu einigen internationalen Organisationen, die große Projekte in unserem Land verwirklichen wollten. Unsere Revolution hatte die Ordnung in einem Land wiederhergestellt, das Gleichgültigkeit, Warlords, Analphabetismus und Drogenhandel zerstört hatten.«
»Die Ordnung wurde wiederhergestellt, indem Frauen versklavt und dieses Land in die Steinzeit zurückgeführt wurde«, erwiderte Nick in schneidendem Tonfall.
»Dieses Land lebte bereits wieder in der Steinzeit, bevor wir die Macht übernahmen. Seit Kaiser Mogul Babur verjagt wurde,genauer gesagt im fünfzehnten Jahrhundert eures gottlosen Kalenders. Was die Auswüchse unserer Herrschaft angeht, so handelte es sich um eine Revolution … und alle Revolutionen haben ihre Auswüchse.«
»Nicht so sehr wie die Ihre!«
»Die unsrige war eine der unblutigsten der vergangenen Jahrhunderte. Denken Sie an die Franzosen. An die dreißig oder vierzig Millionen Toten der chinesischen Kulturrevolution. Das hindert Ihre Regierungen nicht daran, ihre chinesischen Amtskollegen mit allen Ehren zu empfangen. Aber unterscheiden sich die chinesischen Machthaber von heute so sehr von denjenigen vor vierzig Jahren? Nein. Studieren Sie lieber die Geschichte, die Sie nicht kennen, junger Mann, als hier moralische und stark vereinfachende Reden zu schwingen! Nur weil ich einen Turban trage, bin ich noch lange nicht beschränkt. Die Dinge sind immer komplizierter, als sie scheinen in dieser grausamen, multikulturellen Welt, wie die westlichen Kommentatoren sie nennen.«
Nach diesen großen Worten goss Mullah Bakir sich selbstzufrieden einen Tee ein, ohne seinen Gästen nachzuschenken.
»Nick, Mullah Bakir ist unser Freund. Sie können ihm vertrauen. Ich bürge für ihn.«
»Einverstanden«, brummte Nick.
»Was brauchen Sie?«, fragte der Mullah und füllte nun auch ihre leeren Gläser wieder. »Ich kann Ihnen dabei helfen, unterzutauchen, kann Informationen für Sie einholen. Und Ihnen Waffen besorgen. Kurzum, alles, was Sie wollen.«
»In Kabul haben wir alles, was wir brauchen«, entgegnete Osama. »Aber ich werde auf Sie zurückkommen, denn wenn wir in die paschtunische Zone fahren, benötigen wir sicher Hilfe. Danke, Mullah, dass Sie mich gewarnt haben, ohne Sie wäre ich verhaftet worden.«
Osama stand auf und umarmte den Mullah. Dieser wirkte winzig, wie er so an Osamas hünenhafte Gestalt gepresst dastand.Er schüttelte Nick höflich die Hand und sah ihnen nach, als sie den Raum verließen. Ein feines Lächeln umspielte seine Lippen.
»Und, was denken Sie?«, fragte Nick, wieder unter seiner Burka, als sie draußen auf der Straße waren.
»Er will wissen, was in dem Mandrake-Dokument steht. Weshalb, werden wir erst später begreifen.«
»Um der NATO eins auszuwischen, das ist doch klar!«, empörte sich Nick.
»Da bin ich mir nicht sicher. Mullah Bakir ist eher ein Revolutionär, ein gläubiger Nationalist als ein Islamist. Er ist der Überzeugung, dass das aktuelle Regime sich auflösen wird, und hofft, dass er am Tag der Rückkehr einer gemäßigteren Taliban-Regierung eine große Rolle spielen wird. Informationen über die Amerikaner oder irgendein anderes großes NATO-Mitglied zu besitzen könnte ihm dabei helfen, im geeigneten Augenblick ihre Unterstützung zu bekommen.«
»Die Schweiz ist kein NATO-Mitglied und gehört auch nicht zur ISAF.«
»Mit der Schweiz hat diese Sache nichts zu tun. Die Schweiz leiht der Firma ja keine Drohne, um mich umbringen zu lassen. Nur die Länder der Schutztruppe besitzen Drohnen.«
»Ach, darum geht es? Mullah Bakir braucht Unterstützung bei der Erstellung eines Dossiers, das die NATO kompromittiert?«
»Das werden wir noch erfahren. Erst einmal müssen wir unsere Unschuld beweisen. Wenn die Akte Mandrake veröffentlicht worden ist, können wir uns reinwaschen und die Machenschaften derjenigen aufdecken, die versucht haben, uns zu töten.«
»Wenn Sie meinen … Wo gehen wir jetzt hin?«
»Wir gehen zu Abdul Dost, einem Freund von mir. Er ist schon in
Weitere Kostenlose Bücher