Das Kabul-Komplott - Bannel, C: Kabul-Komplott
im selben Moment.
Sie fuhren mit hoher Geschwindigkeit, die entgegenkommenden Fahrzeuge blendeten sie mit ihrem Fernlicht, sie scherten sich nicht um die anderen Verkehrsteilnehmer.
»Alle hier haben Angst«, fuhr Amin fort. »Ich habe kein einziges Polizeiauto gesehen, das nicht mit mindestens siebzig vorbeigerauscht wäre.«
»Sie fürchten sich vor Entführungen. Nachts ist es hier gefährlich, es kann alles passieren, vor allem das Schlimmste … Kennst du den Weg? Wir fahren wieder in Richtung Gefängnis.«
»Sieht so aus, Chef.«
»Sie bringen den Gefangenen zurück, wir brauchen ihnen nicht weiter zu folgen. Wir setzen uns ab.«
Amin machte mitten auf der Fahrbahn eine Kehrtwendung, das Getriebe heulte. Joseph legte ihm beruhigend die Hand aufs Knie.
»Immer mit der Ruhe, Mann.«
Fehlte bloß noch, dass sie einen Schuss von einem Soldaten abbekamen, dem das Gewehr allzu locker saß. Ein derartiger Wagen war teuer, die Reparatur eines Panzerglases noch mehr, und er brauchte den Wagen in den kommenden Tagen.
Während sie zurück zum
Compound
fuhren, klingelte Josephs Mobiltelefon. Es war sein Maulwurf im Kommissariat. Joseph hörte schweigend zu, während der Spitzel ihm berichtete, wie er den Gefangenen dank eines entfernten Cousins, der als Aufseher in dem Gefängnis arbeitete, identifiziert hatte. Als er hörte, dass der Mann, ein gewisser Tikrini, einen Soldaten der ISAF getötet hatte, begriff Joseph, dass dies nicht die letzte Überraschung war, die dieser Fall bot. Nachdenklich legte er auf.
»Was machen wir jetzt?«, fragte Amin.
»Ich weiß nicht, was das alles zu bedeuten hat, aber es ist wichtig. Ich muss Bern informieren.«
»Verstehe. Wir fahren also ins Büro zurück, wenn ich richtig verstanden habe?«
»Ich würde den General lieber anrufen, als ihm eine Mail zu senden, selbst wenn sie verschlüsselt ist. Ich muss in die abhörsichere Zelle. Wir werden dort übernachten.«
Das provisorische Quartier, das die Firma angemietet hatte,befand sich in einem Viertel am Stadtrand in der Nähe des Flughafens und galt als einer der bestgesicherten Orte ganz Afghanistans. Das hatte man allerdings auch von Bagram behauptet, bis eines Tages ein Dutzend Märtyrer, vom Scheitel bis zur Sohle mit Sprengstoff ausstaffiert, es angegriffen hatten. Die Wohnung lag im ersten Stock eines Fertighauses, ließ sich schlecht beheizen, war karg möbliert, aber eine Spezialfirma – natürlich aus der Schweiz – hatte dort die allerneuesten Informatik-Tools sowie eine Satellitenverbindung installiert. Außerdem hatten die Techniker auch einen Raum für verschlüsselte Kommunikation eingerichtet: eine Art Würfel von zehn mal zehn Metern, mit Metallplatten abgehängt und von Elektrokabeln durchzogen. Der Würfel sollte jegliche Überwachung elektromagnetischer Felder unterbinden, so dass Joseph gefahrlos mit Bern telefonieren konnte.
»Warum hat der Bulle diesen Typen aus dem Knast holen lassen?«, fragte Amin.
»Ich weiß es nicht. Und genau das beunruhigt mich.«
***
Die Suite, die Nick im Winston gebucht hatte, bestand aus einem großen Schlafzimmer, das mit einem überdimensionalen Spiegel gegenüber dem Bett, zwei Sesseln und einem lederbezogenen Schreibtisch ausgestattet war – den Stil hätte er nicht genau benennen können. Wahrscheinlich französisch. An den Wänden hingen elegante Lithographien und alte Bilder, die allesamt mehr oder weniger nackte Frauen darstellten. Auf einem war eine Kurtisane in orientalischem Gewand abgebildet. Darunter stand
Im Harem des Sultans von Peschawar, um 1875
. Das Winston war ein richtiger Palast oder vielmehr ein Luxusbordell. Er legte sich aufs Bett und schloss die Augen, um seinen Kopf freizubekommen.
Als es klingelte, fühlte er sich ausgeruht. Die Frau, die er in dem Dossier der Firma auf einem Foto gesehen hatte, stand aufder Schwelle. Eine sportliche Vierzigjährige, fröhliche Augen, matte Haut und schwarze, sehr lange Haare. Sie war größer, als er sich vorgestellt hatte, etwa einen Meter fünfundsiebzig. Sie hatte Klasse, das bemerkte man sofort. Nur selten war Nick einer derart umwerfenden Frau begegnet.
»Guten Tag, ich bin Jacqueline«, sagte sie, sehr natürlich, und streckte ihm die Hand hin. »Sind Sie Martin?«
Nick blieb der Mund offenstehen, er wusste nicht, wie er reagieren sollte. Jacqueline setzte ein bezauberndes Lächeln auf.
»Sind Sie schüchtern, oder haben Sie es sich anders überlegt? Darf ich hereinkommen?«
Sie sprach Deutsch
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