Das Kabul-Komplott - Bannel, C: Kabul-Komplott
intakt waren. An den cremefarbenen Wänden sah man noch die Umrisse der Bilder, die einmal dort gehangen haben mussten. Ein Apple-Computer thronte neben einer ganzen Serie Telefone, einem Stapel Aktenmappen und einem Sturmgewehr auf der Tischplatte. Mit einer Geste forderte der Minister Osama auf, Platz zu nehmen. Eine dicke Rolex funkelte an seinem Handgelenk, ein Ring mit einem protzigen Edelstein zierte den Zeigefinger der anderen Hand.
»Mein Respekt, Herr Minister«, sagte Osama.
Der Minister bedeutete dem Kommissar mit einer lässigen Handbewegung, dass zwischen ihnen übertriebene Höflichkeit nicht angebracht war. In der seltsam angestaubten Kulisse wirkte der Politiker auf Osama noch inkompetenter als sonst. Der Mann war zweifellos intelligent und gewieft, aber seine Antriebskraft war offensichtlich: Er hatte sich seit dem Regierungsantritt Karzais beträchtlich bereichert, hatte Immobilien und Baugrundstücke in Kabul gekauft und außerdem Landbesitz im Norden erworben, in der Nähe von Mazar-e-Sharif. Osama war zu Ohren gekommen, dass er auch teure Immobilien in Südfrankreich und in London besaß. Ein Tablett mit einer Teekanne und zwei Tassen stand vor Osama, eine eindeutige Aufforderung an ihn, den Tee einzugießen. In Afghanistan sind die Beziehungen zwischen Individuen streng geregelt: Der Mächtigere erhebt sich niemals als Erster in Anwesenheit eines Untergebenen, er lässt sich den Tee servieren und trinkt als Erster. Osama dachte jedoch gar nicht daran, seinem Vorgesetzten den Tee einzuschenken. Das tat er gern für die Männer in seinem Team, jenseits aller protokollarischen Vorschriften, oder für Menschen, denen er Respekt entgegenbrachte, wie Doktor Katun, nicht aber für diese Schlange von Minister. Er beschränkte sich darauf, Khan Durrani kühl anzublicken.
»Wie ich höre, laufen Ihre Untersuchungen bezüglich des Selbstmords von Wali Wadi aus dem Ruder«, begann der Minister in säuerlichem Tonfall. »Sie ergreifen da gefährliche Maßnahmen. Einen Mann aus dem Gefängnis zu holen, der eines Verbrechens gegen einen ISAF-Soldaten angeklagt ist, stellt ein besonders schweres Vergehen dar. Ich habe Präsident Karzai von diesem ärgerlichen Zwischenfall nicht unterrichtet, kann Ihnen aber versichern, dass er vor Wut toben würde.«
»Ich tat das, was ich für das Beste hielt, um den Fall rasch zu lösen. Sie wissen, dass es leider nicht viel gebracht hat, da die beiden Safes von Wali Wadi leer waren.«
»Warum verfolgen Sie die Annahme, es könne ein Verbrechen gewesen sein, so erbittert?«
»Sie erscheint mir die einzig richtige.« Osama schlug die alte Ledermappe auf, die er mitgebracht hatte und entnahm ihr zwei Dokumente, die er auf den Schreibtisch legte. »Das hier ist ein neuer Bericht des Gerichtsarztes Dr. Katun. Und das hier sind meine daraus abgeleiteten Schlussfolgerungen«, bemerkte er nur.
Der Minister zuckte unmerklich zurück, dann aber griff er zögerlich nach den Papieren und begann zu lesen. Als er sie niederlegte, verrieten seine zusammengekniffenen Lippen, wie wütend er war.
»Sie stellen krude Hypothesen auf, eine aberwitziger als die andere! Ihr Bericht ist eine Abfolge zweifelhafter Unterstellungen ohne Grundlage.«
»Der Schießpulvertest auf den Händen des Toten beweist eindeutig, dass Wali Wadi nicht mit der Waffe gezielt hat, die er in der Hand hielt. Die einzige logische Schlussfolgerung ist daher, dass jemand anders diese Waffe hielt, Wali Wadi getötet hat und sie ihm dann nach dessen Tod in die Hand drückte. Für mich heißt das: Mord.«
»Sie haben Tests ohne jegliche Gewähr ihrer Herkunft und Vertrauenswürdigkeit verwendet!«
»Diese Tests kommen aus Russland, die Moskauer Kriminalbehörde garantiert für ihre Qualität.«
Der Minister sammelte sich ein paar Sekunden lang, dann sagte er in schneidendem Tonfall: »Wann verfallen diese Tests?«
Osama verfluchte sich insgeheim, dass er diesen Einwand nicht bedacht hatte.
»Ich werde das Datum überprüfen, aber meiner Kollegin zufolge sind sie noch sechs Monate nach Ablauf des Verfallsdatums verwendbar.«
»Warum druckt der Fabrikant dann nicht gleich das endgültige Datum auf? Also, ich halte diese Tests für null und nichtigund bitte Sie, in Ihrem Abschlussbericht jedwede Schlussfolgerung zu streichen, die darauf fußt.«
Er hatte tatsächlich
Abschlussbericht
gesagt.
»Dann lassen wir uns eben andere Tests schicken.«
»Nicht nötig.« Der Minister schlug plötzlich einen
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