Das Kabul-Komplott - Bannel, C: Kabul-Komplott
lief ihm übers Gesicht, ein Auge war angeschwollen. Seine Füße waren von den vielen Schlägen mit dem Ochsenziemer violett angelaufen. Er war mit Erbrochenem, Urin und seinen eigenen Exkrementen besudelt. Die Polizisten des Geheimdienstes waren nicht gerade zimperlich. Einer der beiden holte gerade mit dem Ochsenziemer aus und drosch dem Gefangenen damit ins Gesicht. Blut spritzte, der Mann stieß einen Schrei aus.
Reza nahm einen der Polizisten beiseite.
»Und, kriegt ihr was raus?«, flüsterte er.
»Nichts Neues. Dieser Dreckskerl schwört, sein Bruder sei kein Taliban mehr gewesen, er hätte es nur wegen des Geldes gemacht und nicht aus Überzeugung. Er selbst wird allerdings als gefährlich eingestuft. Wir beobachten ihn seit geraumer Zeit.«
»Verheimlicht er uns etwas?«
»Ich glaube nicht. Wir werden trotzdem weiterarbeiten.«
Auf dem Weg zurück in ihre Büros sagte Reza: »Wir fahren zu ihm. Du kommst mit.«
Abdul Hakat wohnte in einem paschtunischen Armenviertel im Süden der Stadt. Sein Haus, eine Bruchbude aus Lehm, vor der sich ekelerregende Abfälle häuften, wurde von finster dreinblickenden Polizisten bewacht. Eine Gruppe ebensofinster dreinblickender Männer mit langen struppigen Bärten schlich in der Nähe umher; von Zeit zu Zeit stießen sie drohende Verwünschungen aus.
»Das hier ist ein Talibanviertel«, bemerkte Osama.
»Scheiß drauf. Wenn diese Dreckskerle glauben, wir würden Sie höflich bitten, unsere Arbeit tun zu dürfen, dann täuschen sie sich«, sagte Reza.
Osama betrat das Haus als Erster. In einer Ecke saßen mehrere in ihre Burka gehüllte Frauen. Fünf blaue Silhouetten, dieselbe Größe, derselbe Körperumfang. Das Gitter vor den Augen machte es unmöglich, festzustellen, wer sich darunter verbarg. Ein mit einer Kalaschnikow bewaffneter Soldat bewachte sie, den Finger am Abzug.
»Wer sind diese Frauen?«
»Die Mutter von Abdul Hakat, die beiden anderen Frauen seines Vaters, die beiden Frauen seines Bruders«, sagte Reza.
»War Abdul nicht verheiratet?«
»Nein.«
»Wo ist der Vater?«
»Er hatte während des Verhörs einen Herzanfall, meine Männer haben ihn wohl etwas heftig angepackt. Er ist im Krankenhaus.«
»Wie geht es ihm?«
»Schlecht. Der Arzt, der ihn untersuchte, meinte, er würde sterben.«
Osama entdeckte einen Brief auf einer Werkbank aus Holz.
»Ist das der Abschiedsbrief?«
»Ja. Seine Mutter sagt, jemand muss ihn für ihn geschrieben haben, er konnte nicht schreiben.«
Es war eine kurze Nachricht auf Paschtunisch, in der es im Namen Allahs hieß, die
Kuffār
und die schlechten Muslime hätten zu verschwinden. Der Brief schloss mit der Gewissheit, ins Paradies zu gelangen und dort von herrlichen Jungfrauenumgeben zu sein. Keine außergewöhnlichen Zeilen, sie ähnelten in allem dem, was Osama bislang in diesen Fällen gelesen hatte. Wenn es sich um Analphabeten handelte, was beinahe immer der Fall war, schrieb ihn ein Mullah für sie.
»Es ist kein einziger Grammatikfehler darin. Derjenige, der ihn verfasst hat, ist ein gebildeter Mann.«
»Nicht alle Taliban sind ungebildet«, erwiderte Reza. »Das genügt nicht, um herauszufinden, wer ihn geschrieben hat. Wir werden die Nachbarn befragen, um in Erfahrung zu bringen, welche Moschee er besuchte.«
»Kann ich mal sein Zimmer sehen?«
Es war ein winziger Raum. Die Mitarbeiter des Nachrichtendienstes hatten bereits alles auf den Kopf gestellt.
»Haben wir inzwischen etwas gefunden?«, fragte Reza streng.
»Nichts,
Qoumaandaan «
, gab einer seiner Männer zurück. »Keine Talibanpropaganda.«
»Kein Wunder, er konnte ja nicht lesen«, brummte der Abteilungsleiter.
Osama durchsuchte die Kleidung des Toten. Alles war in miserablem Zustand, ein Paar Rangers pakistanischer Herkunft fiel beinahe auseinander. Alle Kleidungsstücke waren schmutzig, abgetragen und, zumindest dem entsetzlichen Geruch nach zu urteilen, nie gewaschen worden.
»Seit zehn Minuten durchwühlst du nun schon diese Lumpen«, bemerkte Reza. »Irgendwas Verdächtiges?«
»Es finden sich nur afghanische Klamotten hier, zum Zeitpunkt des Attentats war Hakat aber westlich gekleidet. Seine Schuhe sahen brandneu aus, es handelte sich außerdem um ein edles Fabrikat, während all dies hier alt und schmutzig ist. Außerdem stinkt alles dermaßen, dass einem speiübel werden könnte.«
»Vielleicht hatte er sich extra seine schönsten Sachen angezogen?«
»Von welchem Geld hat er die denn gekauft? Amerikanische Schuhe,
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