Das Kabul-Komplott - Bannel, C: Kabul-Komplott
um ein teures Modell handelte, nicht um eine Billigimitation aus Pakistan. Mit Hilfe einer alten Lupe studierte er die Marke eingehender. New Balance. Er kannte sie nicht. Er rief einen seiner Fahrer zu sich, einen jungen Mann Anfang zwanzig, der bekannt dafür war, modisch auf dem neuesten Stand zu sein.
»Ahmad, kennst du eine Schuhmarke namens New Balance?«
»Nein,
Qoumaandaan
.«
»Erkundige dich bei anderen jungen Männern in deinem Alter und berichte mir dann, ob jemand anders sie kennt.«
Zwei Stunden später bestätigte ihm der Fahrer, dass niemandvon dieser Marke je etwas gehört hatte. Osama beschloss, sich selbst zu erkundigen, als auf einmal der kleine Junge wieder in seinem Büro auftauchte, den Mullah Bakir ihm bereits beim ersten Mal geschickt hatte. Er verstand die Botschaft, nickte und zog seinen Mantel über.
***
Es schneite in Bern, doch in dem abgesicherten Konferenzraum der Firma bekam man gar nicht mit, was für ein Wetter draußen herrschte. Es war ein fensterloser Raum, dessen Wände mit Kupfer und anderen seltenen Metallen versiegelt waren und der durch ein komplexes System von Störschutzfiltern vor elektronischen Interferenzen geschützt wurde. Der General schilderte die einzelnen Etappen der Treibjagd auf den Flüchtigen. Am anderen Ende der Welt saß Joseph in dem abgeschirmten würfelförmigen Bau in Kabul. Es gab keine guten Nachrichten. Die beiden Männer sprachen mit gedämpfter Stimme, sie waren nervös und angespannt.
»Er ist einfach schon viel zu lange verschwunden. Seit er sich in Genf in Luft aufgelöst hat, haben wir keine ernstzunehmende Spur mehr. Ich glaube nicht, dass wir seiner noch mal habhaft werden.«
»Ich begreife nicht, wie es dazu kommen konnte!«
»Ich ebenso wenig. Unsere Männer haben alle Flüge aufs Genaueste durchkämmt. Sein Name tauchte nirgendwo auf. Er verfügt nicht über die Kontakte, um sich einen gefälschten Pass zu besorgen, daher nehme ich an, dass er sich immer noch in der Schweiz aufhält. Oder in einem der Anrainerstaaten, den er über den Landweg erreichen konnte, Frankreich, Italien, Österreich, er hat die Qual der Wahl. Wenn er es bis an eine Küste geschafft hat, wird er vielleicht ein Boot gechartert haben und in ein anderes Land geflüchtet sein, womöglich sogar nach Afrika, wo wir ihn nie finden werden.«
»Was ist mit Privatflügen?«
»Die haben wir auch unter die Lupe genommen, einen nach dem anderen. Es gab mehrere Hundert, seit er verschwunden ist. Zehn Männer waren seit seinem Verschwinden mit nichts anderem beschäftigt. Viele Privatflugzeuge werden von Firmen gechartert, die ihren Sitz in Steuerparadiesen haben. Es ist nicht leicht, festzustellen, wer im Einzelnen damit fliegt und wohin genau. Dies bleibt ein schwarzes Loch im Sicherheitssystem aller unserer Länder. Wenn er in einem Nachbarland ein Privatflugzeug bestiegen hat, sind die Chancen, ihn ausfindig zu machen, noch geringer. Dieser Mann ist intelligent, reich und gut organisiert.«
»Ich hoffe ja, dass Nick eine Spur findet, die uns entgangen ist.«
»Machen Sie Witze? Er wird nichts finden.«
»Was folgern Sie daraus? Lassen Sie mich Ihre Meinung hören.«
»Hören wir auf, uns den Kopf zu zerbrechen, und sehen wir den Dingen ins Auge. Er ist uns entwischt. Das war’s dann eben.«
Die Komplizenschaft zwischen Joseph und dem General duldete keine falschen Zwischentöne. Sie nahmen kein Blatt vor den Mund. Bei jedem anderen seiner Männer wäre der General jetzt ausgerastet, nicht jedoch bei Joseph.
»Wenn man einen Flüchtigen nicht innerhalb der ersten zweiundsiebzig Stunden gefunden hat, tendieren die Chancen, ihn doch noch zu ergreifen, laut Statistik gegen null«, fügte Joseph noch hinzu. »Eine erneute Möglichkeit bietet sich erfahrungsgemäß nach vierundzwanzig Monaten, wenn der Flüchtige Heimweh bekommt: Dann begeht er Fehler, und man kann ihn sich schnappen.«
»Vierundzwanzig Monate? Sie sind ja verrückt! Wir können doch nicht zwei Jahre warten, bis wir ihn dingfest machen!«
»Warum nicht? Die Tatsache, dass nichts durchgesickert ist, beweist doch, dass dem Flüchtigen nicht daran gelegen ist,den Bericht öffentlich zu machen. Die beiden Psychiater, die sein Profil erstellt haben, sind der Ansicht, dass er mit der Akte nur im Extremfall an die Öffentlichkeit gehen wird, wenn er nämlich in die Enge getrieben wird. Das ist ein stolzer Mann, ein Perfektionist, er glaubt, er könne mit uns spielen. Außerdem hätte er ja selbst eine
Weitere Kostenlose Bücher