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Das Kadett

Das Kadett

Titel: Das Kadett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lois McMaster Bujold
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Bothari ernst. »Wer ist wohl am Ende der Woche erschöpfter?« Dann wurde er heftig. »Meine Hauptverantwortung ist deine Haut, verdammt noch mal!«
    »Ich denke an meine Haut. Das kannst du mir glauben! Und du kannst meine Haut am besten dadurch schützen, dass du diese zwanzig dazu bringst zu glauben, dass ich ein Söldnerkommandant bin.«
    »Du bist kein Kommandant, sondern ein elender Holovid-Regisseur«, erklärte Bothari.
    Die Kaiserliche Dienstvorschrift zu bearbeiten war viel mehr Arbeit, als Miles gedacht hatte. Selbst nach dem Streichen ganzer Kapitel – die Vorschriften für die Durchführung rein barrayaranischer Zeremonien, wie die Geburtstagsparade des Kaisers, enthielten – blieb noch enorm viel Material übrig. Miles stürzte sich hinein und schlachtete alles aus, so schnell er lesen konnte.
    Noch nie hatte er sich so intensiv mit militärischem Reglement befasst. Er brütete noch tief in der Nacht darüber. Organisation schien der Schlüssel zu sein. Man musste eine riesige Menge an Material und passenden Männern zur richtigen Zeit an den richtigen Ort und in der richtigen Ordnung bringen – und alles blitzschnell, um zu überleben. Dazu musste man eine unendlich komplizierte und verwirrende Realität in die abstrakte Form eines Sieges ummodeln. Es schien, dass Organisation selbst Tapferkeit als Soldatentugend übertraf.
    Miles erinnerte sich an eine Bemerkung seines Großvaters: »Mehr Schlachten wurden durch die Quartiermeister gewonnen oder verloren als durch den Generalstab.« Es gab da auch eine passende Anekdote über einen Quartiermeister, der den Truppen eines jungen Partisanengenerals die falsche Munition ausgegeben hatte. »Ich ließ ihn einen Tag lang an den Daumen aufhängen«, hatte Großvater erzählt. »Aber dann musste ich ihn auf Befehl Prinz Xavs abnehmen.« Miles streichelte den Dolch im Gürtel und strich fünf Bildschirme mit Vorschriften über Plasmawaffen, die fest auf Schiffen montiert waren, da diese seit einer Generation nicht mehr benutzt wurden.
    Seine Augen waren schon gerötet, die Wangen grau und hohl, von Bartstoppeln bedeckt, als der Nachtzyklus sich dem Ende neigte, aber er hatte ein hübsches kleines Handbuch abgeschrieben, mit dessen Hilfe alle mit den Waffen in dieselbe Richtung zielen müssten. Er drückte es Elena in die Hand, damit sie es kopierte und verteilte. Danach wollte er sich duschen und umziehen, um vor ›seinen neuen Truppen‹ nicht wie eine Vogelscheuche, sondern wie ein Adler zu erscheinen.
    »Fertig«, sagte er zu Elena. »Bin ich jetzt ein Weltraumpirat?« Sie stöhnte nur.
    Miles bemühte sich, während des nächsten Tageszyklus’ überall gesehen zu werden. Er inspizierte nochmals das Lazarett. Dann besuchte er Elenas und Botharis ›Unterricht‹. Dabei tat er so, als beurteile er die Leistung jedes einzelnen Söldners äußerst kritisch. In Wahrheit konnte er sich vor Müdigkeit kaum auf den Beinen halten. Er zwackte sich noch die Zeit für eine Unterhaltung mit Mayhew ab, der die RG 132 jetzt allein führte, um ihn auf den neuesten Stand zu bringen und sein Selbstvertrauen zu stärken, da er mithelfen musste, die Gefangenen zu beschäftigen. Dann entwarf er noch einige schriftliche Tests über die neuen ›Dendarii Dienstvorschriften‹, die Elena und Bothari durchführen sollten.
    Die Beerdigung des Söldnerpiloten war am Nachmittag – nach Schiffszeit. Miles nahm sie zum Vorwand, die persönliche Ausrüstung und die Uniformen genau zu inspizieren. Er ordnete eine Parade an. Um ein gutes Beispiel zu geben und aus Achtung, zogen er und die Botharis ihre besten Kleider an, die sie noch von der Beerdigung seines Großvaters hatten. Ihre dunkle Pracht ergänzte die sauberen grauweißen Uniformen der Söldner.
    Thorne beobachtete alles blass und stumm mit seltsamer Dankbarkeit. Auch Miles war ziemlich blass und stumm. Er atmete erleichtert auf, als der Leichnam des Piloten endlich verbrannt und die Asche ins All verstreut war. Miles gestattete Auson, die kurze Zeremonie durchzuführen. So viel Theatralik und Heuchelei brachte Miles nicht auf, um diese Funktion selbst zu übernehmen.
    Hinterher zog er sich in seine Kajüte zurück und sagte Bothari, er wolle die Oserischen Dienstvorschriften und Ausführungsbestimmungen genau durchlesen. Aber er konnte sich nicht konzentrieren. Lichtblitze und seltsame Schemen kreisten vor seinen Augen. Er legte sich hin, kam aber nicht zur Ruhe. Deshalb stand er wieder auf und lief hin und her. Dabei

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