Das Kadett
Licht wies ihm den Weg, das heller war als die Infrarotstirnplatte seines Helms. Die Technikerin kroch an einer Reihe schwach leuchtender schwerer Geschütze vorbei.
»Jede Löwenzahnbombe ist scharfgemacht«, rief sie und warf ihm einen flehenden Blick zu. Ihre Stimme bebte, aber sie verstellte dabei die Codes. Miles blickte ihr konzentriert über die Schulter und ahmte ihre Bewegungen bei der nächsten Reihe nach. Miles musste feststellen, dass Weinen in einem Raumanzug äußerst ungemütlich war, da man sich weder Gesicht noch Nase abwischen konnte. Allerdings bewahrten die Wischer an der Gesichtsplatte alle lebenswichtigen Kontakte dort vor Niesen. Er schnüffelte pausenlos. Dann schickte ihm der Bauch einen Rülpser, der wie Säure im Hals brannte. Seine Finger fühlten sich wie Würste an. Ich könnte jetzt in der Kolonie Beta sein – ich könnte zu Hause im Bett liegen – Ich könnte zu Hause unterm Bett liegen …
Es kam noch ein Techniker. Für höfliches Plaudern war keine Zeit. Schweigend arbeiteten sie emsig vor sich hin. Nur der regelmäßige Rhythmus der Hyperventilation war zu hören. Miles’ Anzug missgönnte ihm die Sauerstoffmenge, die sein Verstand gebraucht hätte. Bothari hätte ihn niemals bei dieser Sturmpatrouille mitgehen lassen – vielleicht hätte er ihn doch nicht zur Arbeit in der Veredelungsanlage zurücklassen sollen. Weiter zur nächsten Bombe – und dann zur nächsten – und zur nächsten – aber da war keine mehr. Geschafft!
Kat stand auf und zeigte auf die lange Reihe der Bomben. »Drei Sekunden und …« Dann brach sie hemmungslos in Tränen aus und fiel Miles um den Hals. Er streichelte verlegen ihre Schulter.
»Schon gut! Weinen Sie sich nur richtig aus. Das haben Sie sich verdient.« Er unterbrach einen Augenblick lang die Kommunikationsverbindung und holte tief Luft.
Miles verließ sein neu gekapertes Schiff und ging zurück in die Veredelungsanlage. Er hielt einen unerwarteten Preis an sich gepresst: Eine kleine pelische Raumrüstung, die ihm passte. Eigentlich war sie für weibliche hygienische Bedürfnisse gestaltet, aber Baz würde das schon ändern. Als er Elena unter dem Begrüßungskomitee sah, hielt er den Anzug triumphierend hoch. »Sieh mal, was ich gefunden habe.«
Sie runzelte die Nase. »Du hast ein ganzes Schiff erobert, nur um einen Raumanzug zu bekommen?«
»Nein, es geht um die Wunderwaffe dieses Schiffs, die eure Abschirmung durchdrungen hat. Welche Schäden hat es angerichtet?«
Einer der felicianischen Offiziere warf Elena einen fast hasserfüllten Blick zu. »Es hat ein Loch geschlagen – naja, eigentlich kein richtiges Loch – direkt durch den Trakt der Gefangenen. Luft strömte aus, und sie hat alle freigelassen.«
»Wir haben noch nicht einmal die Hälfte wieder eingefangen«, beschwerte sich der Felicianer weiter. »Sie haben sich überall in der Station versteckt.«
Elena machte ein unglückliches Gesicht. »Es tut mir leid, Mylord.«
Miles rieb sich nervös die Schläfen. »Naja, dann werde ich wohl den Sergeant die nächste Zeit im Rücken haben.«
»Wenn er aufwacht.«
»Was?«
Elena blickte düster auf ihre Stiefel hinab. »Er bewachte während des Angriffs ganz allein die Gefängnisabteilung – und versuchte mich aufzuhalten, die Gefangenen hinauszulassen.«
»Versuchte? Ohne Erfolg?«
»Ich habe ihn mit der Betäubungspistole niedergeschossen. Ich fürchte, er wird ziemlich wütend sein. Kann ich eine Zeitlang in deiner Nähe bleiben?«
Unwillkürlich spitzte Miles die Lippen und pfiff lautlos. »Natürlich. Waren irgendwelche Gefangene … nein, warte!« Er hob die Stimme. »Commander Elena Bothari, ich belobige Sie ihrer Initiative wegen. Sie haben korrekt gehandelt. Wir sind hier, um ein spezielles taktisches Ziel zu erreichen und nicht um ein sinnloses Gemetzel zu veranstalten.«
Miles musterte den jungen felicianischen Lieutenant. Er hieß Gamad und schrumpfte unter den strengen Blicken. Dann fragte Miles leise Elena: »Wurden Gefangene getötet?«
»Zwei – ihre Zellen wurden von Streutreffern der Bahnelektronen buchstäblich durchbohrt …«
»Wodurch?«
»Baz nannte es eine Streuwaffe aus Bahnelektronen. Und elf sind erstickt. Ich kam nicht mehr rechtzeitig zu ihnen …« Der Schmerz in Elenas Augen ging ihm durch und durch.
»Wie viele wären gestorben, wenn du sie nicht freigelassen hättest?«
»Wir haben auf dem gesamten Abschnitt Luft verloren.«
»Captain Tung?«
Elena breitete die Hände aus.
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