Das Kadett
»Ich nehme an, dass er sich noch irgendwo hier herumtreibt. Er war nicht unter den dreizehn Toten – aber einer seiner Sprungpiloten. Den anderen haben wir auch noch nicht gefunden. Ist das wichtig?«
Miles’ Herz versank im aufgebrachten Magen. Dann sagte er zur nächsten Söldnerin: »Geben Sie diesen Befehl sofort weiter: Gefangene sind lebendig und möglichst unverwundet wieder einzufangen.«
Die Frau eilte davon. »Wenn Tung frei herumläuft, bleibst du sicherheitshalber dicht bei mir«, sagte Miles zu Elena. »Du lieber Gott, ich sehe mir wohl dieses Loch mal an, das kein richtiges Loch ist. Wo hat Baz nur den zungenbrecherischen Namen her?«
»Er sagte, es sei eine betanische Entwicklung, die schon vor einigen Jahren gemacht wurde. Es war kein Verkaufsschlager, weil man zur Verteidigung dagegen lediglich die Massenabschirmung wieder in die richtige Phase bringen muss. Er sagte mir, dass er sich schon an die Arbeit gemacht habe und die Schutzschilde heute Abend wieder reprogrammiert seien.«
»Aha.« Miles war bitter enttäuscht. Zerstoben sein Wunschtraum, den geheimnisvollen Strahl dem Kaiser auf Barrayar zu Füßen zu legen und sich am Erstaunen Captain Illyans und seines Vaters zu weiden. Er hatte es sich als großartiges Geschenk und Beweis seines militärischen Könnens vorgestellt. Jetzt war es wohl so, als würde eine Katze einen toten Hornhüpfer anschleppen und mit dem Besenstiel verjagt werden. Er seufzte. Alles, was ihm jetzt noch blieb, war ein passender Raumanzug.
Miles, Elena, Gamad und ein Ingenieur machten sich auf den Weg in die Gefängnisabteilung, die einige Gebäude weiter unten lag, die durch Gänge verbunden waren. Elena ging neben Miles.
»Du siehst so müde aus. Hättest du nicht erstmal duschen und dich ausruhen sollen?«
»Ja, der Gestank getrockneter Angst in einem warmen Raumanzug.« Er lächelte sie an. »Der hält sich. Später erzähle ich alles genau. Was sagt Major Daum jetzt über die Verteidigungsverknüpfung? Ich muss mir einen vollständigen Kampfbericht von ihm holen. Er scheint zumindest noch klar zu denken.« Miles warf einen verächtlichen Blick auf Lieutenant Gamads Rücken.
Dieser hörte besser, als Miles geglaubt hatte, denn er drehte sich um und sagte: »Major Daum ist tot, Sir. Er wechselte zusammen mit einem Techniker die Stellung. Dabei wurde ihr Flitzer von dahinrasenden Trümmern getroffen und vollständig zerstört. Nichts mehr übriggeblieben. Hat man Ihnen das noch nicht gemeldet?«
Miles blieb stehen.
»Ich bin jetzt der ranghöchste Offizier«, fügte der Felicianer hinzu.
Es dauerte drei Tage, bis die entflohenen Gefangenen aus den Schlupfwinkeln der Veredlungsanlage herausgeholt waren. Tungs Abteilung war die schlimmste. Miles musste ganze Sektionen mit Schlafgas ausräuchern. Er ging nicht auf Botharis verärgerten Vorschlag ein, dass Vakuum sehr viel billiger wäre. Der Sergeant stand allerdings unter großer Nervenanspannung, da er die Hauptlast bei dem Zusammentreiben der Gefangenen zu tragen hatte.
Beim Schlussappell zeigte sich, dass Tung mit sieben seiner Männer, darunter der zweite Sprungpilot, und einem Gleiter fehlten.
Miles stöhnte leise. Jetzt blieb keine andere Wahl, als zu warten, bis die bummeligen Felicianer endlich ihre Fracht holen würden. Langsam bezweifelte er, ob der Gleiter Tau Verde vor dem Gegenangriff noch erreicht hatte. Vielleicht sollte er noch einen zweiten Gleiter schicken. Diesmal nicht mit einem Freiwilligen, sondern einem Kandidaten, den er bestimmte. Miles hatte schon jemanden im Sinn.
Lieutenant Gamad platzte fast vor Stolz über die neu erworbene Führungsrolle und würde Miles’ Anspruch auf die Veredelungsanlage in Frage stellen – theoretisch war diese Anlage ja auch felicianisches Eigentum. Nach Daums sachlicher überaus fleißiger Arbeitsweise war Gamad keine willkommene Abwechslung. Allerdings wurde Gamad ganz klein, als er hörte, wie ein Söldner Miles mit ›Admiral Naismith‹ ansprach. Miles war über die Wirkung dieses Ersatztitels auf Gamad so begeistert, dass er den Söldner nicht korrigierte. Unglücklicherweise verbreitete sich der Titel so schnell, dass er später zu dem neutralen ›Mr. Naismith‹ nicht zurückgehen konnte.
Gamad war gerettet, als am achten Tag nach dem Gegenangriff endlich ein felicianischer Raumkreuzer auf dem Monitor erschien. Miles’ Söldner waren durch die wiederholten Hinterhalte so misstrauisch geworden, dass sie am liebsten das Schiff sofort
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