Das Känguru-Manifest
Uniform.«
Wir stellen uns direkt vor den Zaun und skandieren: »Der Zaun muss weg! Der Zaun muss weg!«
»Heute ein Zaun, morgen ’ne Mauer!«, ruft das Känguru.
»Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten«, beschwichtigt der Sicherheitsdienstleister.
»Und was ist das?«, frage ich und deute auf die Bauarbeiter, die gerade dabei sind, am anderen Ende des Grundstückes Mörtel anzurühren.
»Das wird keine Mauer«, sagt der Mann. »Nur ein Anti-Proletarischer-Schutzwall.«
Nach einiger Zeit entschließen wir uns, unseren Protest in eine Sitzblockade umzuwandeln. Das Känguru zieht unseren Picknickkram aus seinem Beutel. Wir grillen. Der Sicherheitsdienstleister schaut so hungrig auf unsere Würstchen, dass das Känguru mitleidig »Na gut …« seufzt und ihm ein Würstchen über den Zaun wirft. Nach dem Essen zieht das Känguru ein altes Bettlaken und Spraydosen aus seinem Beutel. Weil wir viel zu groß angefangen haben, steht am Ende nur: »›Verdammt sei der Erste … usw.‹ Napoleon der I.« auf dem Banner, welches wir nichtsdestotrotz sofort zwischen den Bäumen aufhängen.
Der Sicherheitsdienstleister hat sich auf einen Stuhl gesetzt und beobachtet uns skeptisch.
Das Känguru wirft immer wieder einen Seitenblick zu ihm hinüber.
»Schlaf ein!«, murmelt es. »Schlaf ein!«
Plötzlich kippt der Kopf des Mannes nach hinten, und er fängt an zu schnarchen.
Das Känguru zieht einen Bolzenschneider aus seinem Beutel.
»Gleich können wir Zaunstückchen an Touristen verkaufen«, sagt es.
»Wie hast du das gemacht?«, frage ich verblüfft.
»Die Macht hat großen Einfluss auf die geistig Schwachen«, sagt das Känguru.
»Rousseau!«, rufe ich und schlage mir gegen die Stirn.
»Nee. Obi-Wan Kenobi«, sagt das Känguru.
»Da war was in seinem Würstchen«, sage ich.
»Das macht man so mit Wachhunden«, sagt das Känguru.
Es schneidet einen schön großen Eingang in den Zaun. Ich stelle derweil am Wanderweg ein großes Schild mit Wegweiser auf: »Badesee! Eintritt frei! Hier entlang!«
Das Känguru kommt hinzu und schreibt das Kleingedruckte: »Dies ist ein Anti-Terror-Anschlag des Asozialen Netzwerkes .«
Keine fünf Minuten nach unseren kleinen baulichen Veränderungen steigen die ersten Wanderer durch das Loch im Zaun.
»Die Deutschen wollen ja rebellisch sein«, sage ich nickend. »Sie warten nur auf einen, der es ihnen erlaubt.«
V I E R S T U N D E N S P Ä T E R 32
Als wir nach Hause kommen, steht ein grimmiger Mann in Uniform vor der Tür des Pinguins und hält Wache. Auf seiner Plakette steht: »Cheap-Security-24.de«. Ein schweres Eisengitter schützt neuerdings die Tür.
»Das ist nicht sein Ernst …«, murmelt das Känguru.
»Nicht stehenbleiben«, sagt der Sicherheitsdienstleister. »Gehen Sie weiter! Gehen Sie weiter!«
S E C H Z E H N S T U N D E N S P Ä T E R 33
Wie zufällig dreht das Känguru das Radio lauter.
»Berlin« , sagt die Nachrichtenfrau. »Eine unliebsame Überraschung erlebte der Spitzenkandidat der SV in Berlin, Jörg Dwigs, als gestern Unbekannte sein Grundstück am See kurzerhand zur öffentlichen Badestelle deklarierten.«
Ich blicke zum Känguru. Es grinst.
32 Zeitsprung, der: Man kennt diesen Kunstgriff aus Filmen, in denen Regisseur und Drehbuchautor zu faul sind, das Vergehen der Zeit aus Bildern zu entwickeln. Folgendes ist passiert: Wir lagen noch eine Weile am See. Dann sind wir mit den Fahrrädern zurück zur Bahnstation gefahren. Dann sind wir mit der S-Bahn zurück nach Berlin gefahren. Dann mussten wir in die U-Bahn umsteigen, und irgendwann später sind wir wieder in Kreuzberg angekommen und den Rest des Weges nach Hause gelaufen. Oft soll ja dem Publikum mit einem Zeitsprung suggeriert werden, dass in der Zwischenzeit nichts Relevantes passiert ist. Das war hier der Fall.
33 Whatever …
»Drecksputamadresiktirlanvaffanculobullshitbaisetoi!«, schreie ich meinen Computer an. Das Känguru schlurft in seiner Profi-Kuscheldecke in mein Zimmer und nimmt mir das Notebook aus der Hand.
»Du hast ja deinen Tick weiterentwickelt«, sagt es anerkennend. »Multilingual. Ich bin begeistert.«
»Man tut, was man kann«, sage ich.
»What seems to be le problème, amigo?«, fragt es.
»Le fucking Internet ist kaputt«, sage ich. »Und ich muss was nachkucken.«
Das Känguru drückt zwei, drei Knöpfe. Dann noch ein Dutzend andere. Dann schaltet es das Notebook aus und wieder an. »Hm«, sagt es. »Das Internet ist wirklich
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