Das Känguru-Manifest
»Der Hauptmann ist keiner, der kneift.«
»Nee«, sage ich. »Der Hauptmann kneift nicht.«
»Nich der Hauptmann«, sagt er.
»Nee, nee«, sag ich.
»Gott steht uns bei«, sagt er.
»Wer?«, frage ich.
»Die niedliche Kleine dahinten.«
Dann reicht er mir eine Pistole.
»Nur für alle Fälle«, sagt er.
Das Känguru steht auf, nimmt mir sanft die Pistole aus der Hand und reicht sie zurück.
»Darüber hatten wir doch schon geredet, mein lieber Messias«, sagt es tadelnd und gibt dem Rocker einen leichten Klaps auf die Backe. »Keine Gewalt.«
»Ja, ich weiß«, sagt der Messias verschämt und hält die andere Wange hin.
»Gott ist ja niedlich«, sage ich zum Känguru geneigt. »Glaubst du, ich kann sie mal nach ihrer Telefonnummer fragen?«
»Sicher«, sagt das Känguru. »Aber bedenke: Gottes Liebe ist unendlich.«
»Hä?«
»Nun, die Menschen dürfen nur einen Gott haben«, sagt der Messias. »Aber Gott hat viele Menschen …«
»Aha. Ist das ein Gleichnis?«, frage ich.
»Nein«, sagt der Messias. »Das hier ist ein Gleichnis: Ein armer Mann hatte zwei Töchter, die beide unglaublich scharf waren. Nee. Moment. Drei. Drei Töchter. Drei Töchter, die unterschiedlich scharf waren. Ihr Vater allerdings war ein reicher Mann. Er sagte zu seinen Töchtern: ›Gehet in die Welt hinaus, bringet mir einen güldenen Elefanten.‹ Da ging die älteste Tochter, die Schärfste, hinaus in die Welt und kam nicht mehr zurück. Da ging die jüngste Tochter, also die sah auch super aus, und jedenfalls … die kam nicht mehr zurück. Die andere schon. Genau. So war’s. Die andere kam zurück.«
Der Messias schweigt.
»Aha«, sage ich.
»Denk nicht zu viel darüber nach«, sagt das Känguru.
»Und wer ist er?«, frage ich und deute auf einen, der gerade auf einen Sitz gestiegen ist, um sich die Hose runterzuziehen und den anderen seinen nackten Hintern zu präsentieren.
»Das ist der Papst«, sagt das Känguru.
»Was denn, noch einer?«, frage ich.
»Pssst!«, macht das Känguru und fügt hinter vorgehaltener Pfote hinzu: »Er ist ein bisschen gaga. Er ist von Gott besessen, aber sie will nur mit Gummi, was er aus irgendwelchen obskuren Gründen aber nur für HIV-infizierte homosexuelle Prostituierte im Kirchendienst erlaubt.«
»Aber mein lieber Heiliger Vater!«, ruft da die Große Vorsitzende. »Muss das denn sein?«
Der Papst hat sich mit einem dicken Filzstift zwei Augen und einen Mund auf die Pobacken gemalt, so dass die Spalte als Nase fungiert.
»Es jibt sone und solche, und dann jibt es noch janz andre, aba dit sind die Schlimmstn«, sagt eine Frau im hinteren Teil des Busses, »wa?«
»Herta!«, sage ich erstaunt.
»Die Amazonenkönigin«, verbessert mich das Känguru.
Der Papst kneift seine Pobacken zusammen, entspannt sie wieder und ruft dabei mit verstellter Stimme: »Hallo! Hallo! Ich bin ein Arschgesicht! Ich bin ein Arschgesicht! Macht, was ich sage. Ich befehle es! Mein Name ist Generalsekretär!«
Friedrich-Wilhelm verschränkt beleidigt seine Arme und sagt nur: »Pah!« Der Papst springt ohne Hose, wie ein Affe, über die Sitze auf den Generalsekretär zu. In dem darauf folgenden Gerangel betätigt Friedrich-Wilhelm aus Versehen den Stoppknopf. Sofort ist es totenstill im Bus. Das Gerangel ist vergessen. Die Reifen quietschen, mit einem Ruck bleibt der Bus stehen, die Türen öffnen sich. Man hört nur leise das bedrohliche Brummen des Busmotors. Der Busfahrer blickt stumm nach hinten. Er mustert uns. Schließlich deutet er auf Friedrich-Wilhelm und danach auf die Tür. Mit hängendem Kopf steigt der Generalsekretär aus. Die Tür schließt sich, und der Busfahrer gibt wieder Gas.
»Der Professor ist eigentlich ein ganz netter Typ«, sagt das Känguru. »Aber bei dem Thema lässt er nicht mit sich spaßen.«
Nachdem ich eine gute Weile lang vom Systemadministrator bis zur Oberhexe allerhand Hände geschüttelt habe, lasse ich mich erschöpft auf einen Sitz fallen.
»Ich hab endlich diese großen weißen Aufkleber mit dem dicken schwarzen Fragezeichen darauf geliefert bekommen«, brüllt da plötzlich ein Punk neben mir.
»Das ist der Filialleiter«, sagt das Känguru. »Der mit dem roten Iro.«
»Ich plane damit einen Anti-Terror-Anschlag gegen die Informationsmüllmonitore in den U-Bahnen. Wer macht mit?«
Ein paar Leute melden sich. Das Känguru stupst mich auffordernd an.
»Was ist mit Ihnen, Herr Hauptmann?«
»Na ja«, sage ich. »Die Idee klingt ja ganz nett, aber ich
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