Das Kainsmal
Pferdekutschen aus dem siebzehnten Jahrhundert benannt. Ohne Verdeck und mit ihren hohen Rädern sahen diese alten Kutschen aus wie Spinnen.
Wax schaltete sein Cambiocorsa-Getriebe am Lenkrad. Er konnte den kaum merklichen Unterschied zwischen Jaguar Racing Green und British Racing Green erkennen. Wenn man die Tür eines Maserati aufmacht, vernimmt man ein feines, hohes Winseln ... das sei die Getriebehydraulik, erklärte Wax.
»Wie nett«, sagte Wax einmal, als er den V8 eines in Winter Gold lackierten Jaguar XJR hochjagte. Er spannte die Finger an und sagte: »Die haben sich ein beheizbares Lenkrad geleistet ...« Dann schob er die J-Gate-Schaltung in den zweiten Gang und rammte einen rostigen Subaru-Kombi von hinten.
Lynn Coffee: In Crash-Party-Kreisen war Karl Waxman als »Killer« bekannt. Ein bezahlter Mörder.
Symon Praeger (
Party-Crasher): Also mir ist es vor allem wichtig, bei einer Crash-Party immer für die richtige Musik zu sorgen. Aber ohne Scheiß, ein Killer wäre ich auch gern. Vor einiger Zeit habe ich mal einen Killer beobachtet, der den Lack von einem Fünfhunderttausend-Dollar-Saleen-S7 komplett abgekratzt hat. Ein Auto mit nur knapp zehn Zentimeter Bodenabstand, und der Fahrer rast damit über den Acker. Der reinste Sadismus.
Lynn Coffee: Die Leute, die einen Killer anheuern, demonstrieren damit ihre Vorliebe für ein bestimmtes Fahrzeug. Ein Besitzer wollte zum Beispiel einen Rolls-Royce Silver Cloud oder Silver Shadow demolieren, sagte aber, er sei nicht imstande, ein so schönes Automobil eigenhändig zu zerstören.
Tina Something: Einmal, bei einem Jaguar X-Type, sagt Wax: »Ist das zu fassen?« Er schlägt mit dem Handballen, bamm , auf das mit Leder bezogene Lenkrad und sagt: »So ein Geizkragen! Nimmt die billigen Tobago-Fdgen, statt Proteus. Oder wenigstens Cayman-Felgen.« Dann gibt er Gas, knallt mit dem rechten Vorderrad über die Bordsteinkante, mäht einen Briefkasten um, dass Funken und Lacksplitter und weiße Umschläge durch die Gegend fliegen, und kracht wieder auf die Fahrbahn runter, und das alles mit mindestens Tempo sechzig.
Lynn Coffee: Waxman ließ sich dafür bezahlen, Luxusschlitten zu entsorgen, unter anderem. Meistens ging es um Autos, die jemand durch eine Scheidung sowieso verloren hätte. Oder solche, deren Raten sich der Besitzer nicht mehr leisten konnte. Oder es war ganz einfach Versicherungsbetrug. Oder pure Bosheit.
Ein Vermittler gab Waxman die Schlüssel und einen Umschlag mit Bargeld, in der Regel zwei- oder dreihundert Dollar, und erklärte ihm, wo er das Fahrzeug abholen konnte. Der Besitzer verließ solange die Stadt, um sich für die zwei oder drei Tage, die Waxman für seine Spritztour brauchte, ein Alibi zu verschaffen. Wenn der Besitzer zurückkam und den Wagen als gestohlen meldete, hatte Waxman ihn längst irgendwo versenkt, wo kein Mensch ihn je finden würde.
Shot Dunyun: Ohne Scheiß, aber ich habe schon Leute gesehen, die mitten bei einer Beerdigung - während die Leiche lächelnd daliegt und überall alte Weiber rumschluchzen -, also die da aufspringen, um die Musik zu wechseln. Mozart statt Schumann. Musik ist extrem wichtig.
Das kann ich gar nicht genug betonen.
Sagen wir, man fährt auf der Interstate nach Süden, immer locker auf der Mittelspur, und man hört Radio. Plötzlich hast du einen Sattelschlepper mit Baumstämmen oder Betonrohren vor dir, eine Halterung löst sich, und die Ladung kracht auf deine kleine Blechkiste. Ein Gebirge aus Beton begräbt dich, du klebst als ein bisschen Fleischsalat zwischen zerquetschtem Stahl und Glas. Mit dem letzten, dem allerletzten Flattern deiner Lider siehst du in den langen Tunnel, an dessen Ende das Licht Gottes leuchtet, und deine tote Oma nähert sich, um dich in die Arme zu nehmen - möchtest du in diesem Augenblick wirklich eine Werbung für einen Mega-Sonder-Komplett-Räumungsverkauf für Autoradios hören?
Tina Something: Ein anderes Mal, vielleicht bei unserem dritten Treffen, in einem Dodge Viper, erzählt mir Wax, wie seine Klienten ihr Auto waschen und wachsen und sogar noch die kleinsten Kleinigkeiten polieren, bevor sie ihm das Geld und die Schlüssel überreichen. »Das ist wie bei diesen Schauspielerinnen«, sagt er, »die sich die Haare machen lassen, sich die Haare färben und in Locken legen lassen, die sich die Nägel maniküren und die sonnengebräunten Beine rasieren lassen, bis sie glatt wie Seide sind, und das ganze Theater nur, um
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