Das kalte Gift der Rache
Christie gehört?«
Charlie lächelte sogar. Er musste den Film gesehen haben, in dem die Zugfahrgäste einer nachdem anderen das Opfer erdolchen. Froh darüber, dass Charlie einigermaßen gut gelaunt war, wartete ich geduldig ab, bis er seine Pfeife gestopft hatte. Dass das Rauchen im ganzen Gebäude verboten war, schien er vergessen zu haben. Aber es erinnerte ihn auch keiner daran.
»Haben Sie Ihren Schreibkram schon erledigt?«
Ich rutschte auf meinem Stuhl hin und her. »Ich bin eben erst ins Haus gekommen, Sheriff.«
»Zeigen Sie’s her, sobald Sie’s haben. Aber ich will nicht drängen.«
Nein, überhaupt nicht. »Ich will versuchen, die Berichte heute noch zu machen.«
»Wie geht es Nick?«
Ich stutzte. »Gut, nehme ich an. Er ist beruflich in Paris.«
»Sie sind also noch mit ihm zusammen?«
Das war ziemlich persönlich, aber alle schienen unsere Beziehung als ihre eigene Zeit der Sehnsucht zu betrachten, also wollte ich mal nicht so sein.
»Wir sehen uns, wenn er in der Stadt ist.«
»Er ist ein guter Kerl.«
Klar hielt er große Stücke auf ihn. Sie kannten sich seit Jahren, und Black war sein größter Wahlkampfsponsor. Ich erwiderte nichts darauf, denn Black war ja wirklich ein guter Kerl, sondern bemühte nur mein bestes beiläufiges Nicken.
»Ich habe eine neue Aufgabe für Sie, Claire, und ich will keine Widerrede hören.«
Oh. Damit war allen Einwänden der Boden entzogen. Was sollte man dagegen schon sagen? Also sagte ich nichts.
Er drehte sich auf seinem Stuhl herum und zog eine Akte aus einer Schublade. Ich fand meine Sprache wieder. »Ich stecke mitten im Fall Classon, Sir, ein dicker Brocken, der mir kaum noch Zeit lässt.«
»Das weiß ich, Detective. Das hier ist Teil des Falls. Stellen Sie sich nicht so saublöd an.«
Okay. Zimperlich war er ja noch nie gewesen. Ich sagte weiterhin nichts, wurde immer besser in dieser Kunst, aber so was zahlt sich irgendwann aus, wenn du deinem Boss und Vorgesetzten gegenübersitzt, dessen Stimmung sich zusehends verschlechtert.
»Mir gefällt diese Sache mit diesen scheiß Spinnen und diesen Müllsäcken nicht. Ganz und gar nicht.«
Charlie liebte Schimpfwörter, benutzte sie häufig, und gefiel sich auch noch dabei.
»Ich will diesen scheiß Irren von der Straße haben.«
Endlich wusste ich was Passendes zu sagen. »Ich auch, Sir.«
Charlie steckte sich die Pfeife in den Mund und hielt sie zwischen den Zähnen fest, als er die Akte aufschlug. Seine Augen fixierten mich. Verlegen? Konnte das sein? Das machte mich nervös. Charlie war in der Regel kein zu Verlegenheit neigender Typ.
»Okay, Folgendes, diesen Brief hab ich bekommen.« Er hielt mir ein von einem Notizblock abgerissenes gelbes Stück Papier entgegen. Ich nickte, als könnte ich was damit anfangen. »Ist von einem gewissen Joe McKay. Er sagt, er hätte der Polizei schon öfter ausgeholfen. Ich hab mich erkundigt und muss sagen, der Typ ist einwandfrei.«
»Was soll das heißen? ›Der Polizei ausgeholfen‹?«
»Er hat bei der Aufklärung von Fällen mitgewirkt, wo die Kollegen nicht weiterwussten.«
»Wie denn das, Sir?« Mir wurde angst und bange, wo das hinführen sollte, und mein Instinkt lag genau richtig.
»Ganz einfach. Er ist ein waschechter Hellseher.«
Ich war völlig perplex, rang nach Fassung, vergeblich. »Sheriff, bitte schön, Sie glauben doch nicht an diesen Mist, oder?«
Charlie paffte seine Pfeife. Der Gestank war kaum auszuhalten. »Verdammt, nein, aber ein paar meiner alten Freunde aus Corps-Zeiten. Sie bestätigen genau, was er von sich behauptet. Er weiß, wovon er spricht, sagen sie, und er hat ihnen geholfen.«
Ich wartete ab und sagte nichts. Mir war übel, und ich rechnete mit allem.
»Wie gesagt, ich hab diesen Brief bekommen, und da steht klipp und klar, dass in unserem Zuständigkeitsbereich jemand ermordet wird. Und er sagt, er habe einen schwarzen Müllsack und Spinnen gesehen.«
»Zufallstreffer«, meinte ich.
Charlie ignorierte meinen schwarzen Humor, aber er fand mich noch nie sonderlich amüsant. »Die Briefmarke auf dem Umschlag datiert aus dem letzten Sommer, Detective. Ich hab den Brief aufbewahrt, weil er einige Referenzen anführt, und wie gesagt, alles Leute, die ich kenne und respektiere.«
»Und welche Konsequenzen hat das für meine Ermittlungen?«
Charlie fackelte nicht lange und fragte mich erst gar nicht nach meiner Meinung. »Er wird mit Ihnen und Bud zusammenarbeiten. Zeigt ihm den Tatort, lasst ihn eure
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