Das kalte Gift der Rache
scheint.«
»Du kleiner Lügner, du Sünder, mit diesem Bengel triffst du dich nicht wieder, hörst du? Ich verbiete es dir! Freddys Bruder glaubt, er hat was mit dem Tod dieses armen Jungen zu tun. Du gehst jetzt sofort rein, und wehe, du verlässt mir noch mal bei Dunkelheit das Haus!«
Erschrocken rannte Uriel ins Haus, knallte die Zimmertür hinter sich zu und schob eine Stuhllehne unter die Klinke. Sie erschien dennoch, rüttelte ein paar Mal an der Tür und schimpfte böse auf Gabriel. Er hielt sich die Ohren zu, damit er nichts hörte. Und er wurde richtig zornig, weil sie ihm Vorschriften machte. Er hatte schon einmal jemanden in den Himmel befördert. Er war ein Racheengel, oder nicht? Er würde nie aufhören, Gabriels Freund zu sein, egal was die Alte sagte. Gabriel war sein bester Freund, sein geheimer Freund, der ihn liebte und gut auf ihn aufpasste.
Am nächsten Tag in der Schule berichtete Uriel genau, was passiert war, und Gabriel sagte, sein Vater dürfe auf keinen Fall von ihr erfahren, dass sie geraucht und Schnaps getrunken hatten. Vielleicht, meinte er, wäre es an der Zeit, sie in den Himmel zu schicken, damit sie mit dem Rest von Uriels Familie zusammen wäre. Uriel wusste nicht, wie er darüber denken sollte. Er hatte Bedenken, denn immerhin hatte sie ihn bei sich aufgenommen und für ihn Schokoladeplätzchen und gestürzten Ananaskuchen gebacken. Alles in allem war sie völlig in Ordnung.
»Ich weiß nicht, Gabriel. Wer kümmert sich dann um mich, und wo soll ich wohnen?«
Gabriel runzelte die Stirn. »Da hast du recht. Und wir wollen nicht, dass du in so ein Pflegeheim kommst. Ich glaube, wir müssen sie nicht in den Himmel befördern, aber wir müssen trotzdem verhindern, dass sie meinem Daddy was erzählt oder dich nicht mehr mit mir zusammen sein lässt. Ich hab eine Idee, ich kenne da einen schon älteren Typen, total verrückt, aber er besorgt mir manchmal Drogen. Ich kann welche besorgen, wovon sie die ganze Zeit nur schläft. Alte Leute schlafen sowieso viel. Da kommt kein Mensch je drauf. Du kannst sagen, sie fühlt sich nicht wohl, und ich kann sagen, ich komme gern jeden Tag vorbei, um zu sehen, wie es ihr geht. Und wir gehen für sie einkaufen und erledigen auch sonst alles. Somit stehen wir auch noch gut da.«
»O ja, Gabriel, dieser Vorschlag gefällt mir viel besser. Ich meine, so schlecht, sie in den Himmel zu befördern, ist sie nicht. Es war das erste Mal, dass sie mich angeschrien und mir gedroht hat.«
An jenem Abend zerrieb Uriel ein paar kleine weiße Pillen, die Gabriel ihm gegeben hatte, und mischte sie in den grünen Tee seiner Großmutter, als sie das Spiel der Cardinals im Fernsehen verfolgten. Es dauerte auch nicht lange, und sie schlief in ihrem Stuhl ein. Sie war so still, dass Uriel sie mehrmals mit dem Finger anstieß, aber sie reagierte nicht, und da legte er seine Hand auf ihren Mund, um zu prüfen, ob sie noch atmete, was der Fall war.
Gabriel hatte gesagt, die Wirkung würde die ganze Nacht über und wahrscheinlich auch einen Großteil des nächsten Tages anhalten. Er hatte recht. Er hatte immer recht. Uriel ließ sie in ihrem Schaukelstuhl sitzen, den Kopf auf die Brust gesunken, und rannte durch die Wälder zu der alten Jagdhütte. An diesem Abend wollten sie erstmals Marihuana rauchen, unten in der Höhle, wo sie niemand sehen konnte. Uriel freute sich schon darauf und konnte es kaum erwarten. Gabriel sagte, er werde sich dabei fühlen, wie ein richtiger Engel, der durch die Lüfte schwebt, vielleicht bis nach ganz oben in den Himmel.
14
Anfangs war ich nur fassungslos und konnte es nicht glauben, als ich Christie Foxworthys entstelltes Gesicht sah. Ich war mir so sicher gewesen, dass sich Stuart Rowland in diesem Koffer befand. Bud wandte sich sprachlos ab und trat ein paar Schritte zurück. »Okay«, sagte ich. »Okay, Bud. Reißen wir uns zusammen.«
Ich machte den Deckel zu, damit nicht noch mehr Skorpione entwischten. Bud stand gegen die Wand gelehnt und sah mich an. Er war kreidebleich.
»Okay«, wiederholte ich, ebenfalls mehr als ein bisschen geschockt. Ich ging zur Haustür, wo der Polizist stand und sagte: »Wir haben hier einen Mordschauplatz. Sorgen Sie dafür, dass der Tatort abgesperrt wird und niemand an das Haus rankommt. Bud, du forderst sofort Buckeye und den Amtsveterinär an.«
Bud starrte mich an, kreidebleich und sprachlos.
»Komm schon, Bud, Kopf hoch. Geht’s dir gut?«
Er nickte, machte aber keinen so guten
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