Das kalte Gift der Rache
und war in der Stimmung, zuzuschlagen, sobald mir einer querkam. Von Black hatte ich auch nichts gehört, was mir gehörig an die Nieren ging, aber ich wäre schön dumm, wenn ich mein hart verdientes Geld für Überseegespräche vergeuden würde. Wahrscheinlich hatte er vom Anblick der vielen nackten Tänzerinnen einen Kater.
»Okay, kümmern Sie sich darum.« Das war Madge, Charlies Sekretärin, die die Station seit siebzehn Jahren leitete.
»Morgen, Sheriff.« Ich versuchte, gleich von Anfang an besonders nett zu sein, denn was ich zu sagen hatte, würde ihm nicht gefallen. Außerdem war mir nicht daran gelegen, schnippisch oder patzig zu sein. Mein einziges Trachten richtete sich nur darauf, einen psychopathischen Killer zu schnappen und seiner Exekution beizuwohnen.
Charlie schnaubte zornig. »Buck sagt, die Kleine hatte mehr als fünfzig Stiche am Körper.«
»Brett Walker zufolge war sie ziemlich schnell tot.«
»Nette kleine Gnade. Gott sei Dank.«
Ich konnte nicht nachvollziehen, was daran gnädig sein sollte. Es war einfach ein schrecklicher Tod.
»Wie ist denn nun Ihre Einschätzung der Lage?«
»Für mich eine rein persönliche Geschichte. In beiden Fällen. Der Täter wollte, dass seine Opfer Angst haben und leiden. Beim zweiten Mal hat er allerdings sehr schnell wieder zugeschlagen. Könnte sein, dass er Christie oder vielleicht auch Rowland mundtot machen wollte. Als Warnung sozusagen. Bud und ich vermuten zudem, es könnten auch Drogen im Spiel sein. In Classons Haus fanden wir ein Kokainlager, und Bud versucht gerade herauszufinden, welches Verhältnis Classon und Christie zueinander hatten. Vielleicht war er ihr Dealer.«
Charlie ließ sich in seinen Ledersessel plumpsen.
»Setzen Sie sich, Claire.«
Ich gehorchte, während er sich nun seiner Pfeife widmete wie einer lang vertrauten Geliebten. Zu Hause durfte er nicht rauchen, denn seine Frau hasste es, und so frönte er seinem Laster ausgiebig und ungehemmt bei der Arbeit. Der Rauch störte niemanden allzu sehr, weshalb sich keiner beschwerte, abgesehen davon, dass sich sowieso keiner getraut hätte. Besonders jetzt, wo Charlie zwei Morde in seinem Revier an der Backe hatte.
Er sagte: »Wie weit seid ihr mit den Ermittlungen?«
»Wir haben schon fast alle Mitarbeiter über Classon befragt. Zurzeit kümmert sich Bud um Christie Foxworthys Freunde.«
»Was ist das eigentlich für eine Schule?«
»Sind Sie schon mal draußen gewesen, Sir?«
»Ich habe Johnstone mal kennengelernt. Er schien okay.«
»Er trägt einen weißen Anzug, Sir. Und Jesuslatschen. Und er sammelt asiatische Teufelsmasken.«
»Also ein Spinner?«
»Schlimmer noch, ein aufgeblasener Spinner.«
»Halten Sie ihn für verdächtig?«
»Ausschließen will ich es nicht.«
»Gibt’s noch mehr Verdächtige? Mit Motiv?«
»Alle sagen, Classon sei ein Ungeheuer gewesen, ein Monster und was nicht noch alles. Nur der Bibliothekar ist cool.«
»Sehr gut. Wie sieht’s mit Alibis aus? Können alle eins vorlegen für die jeweiligen Tatzeiten?«
»Die meisten. Einige müssen wir noch überprüfen. Ein paar sind nun noch dazugekommen.«
»Gibt es jemanden, dem Sie diese Art Grausamkeit zutrauen?«
»Schwer zu sagen. Eigentlich sollte niemand dazu fähig sein. Aber wer auch immer es ist, der Täter ist auf alle Fälle gestört und hat es gelernt, die dunklen Seiten seiner Persönlichkeit vor anderen zu verbergen.«
Charlie seufzte. »Wenigstens haben wir die Medienfritzen noch nicht am Hals. Achten Sie darauf, dass das so bleibt.«
»Jawohl, Sir. Wahrscheinlich ist es für Primadonnen zu kalt. Diese smarten Kommentatoren haben doch alle Angst vor aufgesprungen Lippen.«
Charlie grinste. Wunderbar. Genau darauf hatte ich gewartet. Höchste Zeit für einen Stimmungsumschwung. Ich zögerte. So einen Bammel hatte ich schon lange nicht mehr.
»Noch was, Sheriff. Wir müssen uns über diesen Typen unterhalten, diesen McKay.«
Charlies Augen fixierten mich herausfordernd. »Ja? Was ist mit ihm? Ich habe gehört, er hat euch auf die Spur des zweiten Opfers gebracht.«
Ich nahm die Herausforderung an. Ja, ich trau mich was. »Stimmt, was ihn zum Hauptverdächtigen macht.«
Charlie explodierte nicht gleich, sondern ließ mich erst mal weitersprechen. Gutes Zeichen.
Nun kam es darauf an, ihn quasi aus dem Hinterhalt zu überzeugen. »Ich hatte die Gelegenheit, mir die Einschreibelisten an der Akademie genauer anzusehen. Er war selbst dort Schüler vor etwa fünfzehn Jahren.
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