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Das kalte Schwert

Das kalte Schwert

Titel: Das kalte Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Morgan
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hängte. Zwölf Fuß über dem Boden, die Zähne zusammengebissen und bemüht, ruhiger zu atmen, während die Wächter unten vorübergingen.
    Sie gingen vorüber. Einfach so.
    Er wartete ab, bis sie ein gutes Stück entfernt waren, bevor er sich rührte. Dann drückte er so lautlos, wie es nur ging, den freien Fuß zurück in den Spalt, lockerte die Handklemme zu einem etwas konventionelleren Griff und stieg die restliche Mauer ohne weiteren Zwischenfall hoch. Er zog sich über die Zinnen und stieß dort zu Harath, der so entspannt an der Festungsmauer lehnte, als wäre er zu seinem Sonnenbad hier heraufgekommen.
    Schwer atmend sank er neben dem jüngeren Mann nieder. Harath warf ihm einen Blick von der Seite zu.
    »Alles in Ordnung?«
    Egar hielt seine Faust ins Bandlicht und entdeckte das winzige schwarze Rinnsal von Blut. Er leckte es ab und lutschte die ausgefransten Ränder der aufgerissenen Hand sauber.
    »Ja.«
    »Haben sie dich gesehen?«
    »Ja, sie haben mich gesehen. Sie haben gesagt, sie würden mir ’ne Stunde drinnen geben, solange wir nichts kaputtmachen. Zeigst du mir jetzt dieses verdammte Loch in der Decke oder was?«

    Im Tempel selbst herrschte ein modriger Geruch nach Steinstaub, der Egar an die Felsengräber erinnerte, die er als junger Mann in Dashara geplündert hatte. Immerzu erwartete er Särge, steinerne Podeste oder mumifizierte Überreste in den Mauern. Stattdessen waren die Räume weit, hoch und leer. Geröll knirschte unter den Füßen, aber das waren die Hinterlassenschaften jahrzehntelangen Leerstands – Stein und Stuckpulver, von den zersprungenen Decken herabgefallen, Rattenmist und Kies und die winzigen vertrockneten toten Spinnen. Irgendwohörte er sporadisch Wasser vom Dach oder aus beschädigten Zisternen in den Obergeschossen tröpfeln. Dort oben gab es viele Löcher wie dasjenige, durch welches sie sich mit dem Seil herabgelassen hatten; Schäden, entstanden durch dieselbe Eruption, die für die Risse in den Mauern verantwortlich war. Blickte man auf, konnte man die Sterne durch die Spalten erkennen.
    Alte, verleugnete Götter stützten die Dächer.
    »Erinnert der dich an jemanden?«, flüsterte Harath und nickte zu einer der aufragenden Gestalten hinüber.
    Egar sah zu dem muskulösen Torso auf, dessen Schultern unter der Last eines Pferdesattels gebeugt waren. In der erhobenen Hand hielt er eine kurze, rechteckige Klinge, nicht mal ein richtiges Messer. Das schmallippige, düstere Kriegergesicht mit Bart.
    »Ja, Urann – ohne die Zähne.«
    »Sollte sich glücklich schätzen, dass er überhaupt ein Gesicht hat. Ein paar von den anderen hier drin haben sie so sehr zerstört, dass man kaum noch erkennen kann, wer gemeint ist.«
    Egar nickte, größtenteils zu sich selbst. Das war so ziemlich überall dasselbe, wohin die imperialen Erlasse gelangten. Die Offenbarung hatte etwas gegen Konkurrenz.
    Sie schlüpften unter dem leeren steinernen Blick der Statue
hindurch. Harath zeigte nach links – flache Steinstufen führten aufwärts. Sie nahmen immer zwei auf einmal, die Messer gezogen, falls sie oben jemanden träfen.
    Nichts. Schatten und Staub. Türen mit Holzpanelen, doppelt mannshoch, durchsetzt von Holzfäule, von dem Schutt auf dem Boden verkeilt.
    »Die hier führt zu einer Galerie, die oberhalb der zentralen Halle verläuft«, erklärte ihm Harath, als sie dort ankamen. »Die Galerie geht ganz rundherum. Von da aus hat man einen guten Blick.«
    Egar nickte. Er packte eine der Türen an der Kante, entschied, dass es zu viel Lärm verursachen würde, sie zu bewegen, und wollte sich seitlich durch den vorhandenen Spalt quetschen.
    »Tief Luft holen«, bemerkte Harath umsichtig.
    Es reichte trotzdem nicht. Bei der Anstrengung, den Bauch einzuziehen, tränten Egar die Augen. Dennoch kratzte er sich an der Türkante und schob die Tür geräuschvoll einen weiteren Zoll auf, bevor er auf der anderen Seite herauskam. Er blieb mucksmäuschenstill stehen, die Klinge in der Hand, und wartete ab, ob man sie gehört hatte.
    Harath schob sich geschmeidig hinter ihm durch.
    Die Galerie war, wie versprochen, eine eindrucksvolle Angelegenheit und erstreckte sich in fünfzehn Fuß Höhe rund um die gesamte Halle, breit und mit Balustrade. Bandlicht sickerte durch die hohen Fenster, die schon vor langer Zeit mit Brettern vernagelt worden waren. Egar kroch geduckt zu der Balustrade hinüber und spähte hindurch. Unter sich erblickte er einen Ausschnitt des schäbigen,

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