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Das kalte Schwert

Das kalte Schwert

Titel: Das kalte Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Morgan
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Schultergelenken zerrt. Der Stein ist kühl an seinem Gesicht, die eingeschnitzten Buchstaben drücken ihm ihre Muster ins Fleisch, er spürt, dass Rumpf und Beine gewichtslos werden und sich heben, bis er waagerecht an dem Stein hängt wie ein Wimpel am Mast im Wind.
    Die Schwärze rings umher wird zunehmend grau.
    Ein Himmel von der Farbe eines Blutergusses wölbt sich plötzlich über ihm, tritt ins Dasein, breitet sich wie eine hervorschnellende Decke bis zum Horizont aus.
    Er fällt aus ihm heraus.
    Auf dem Weg nach unten fängt er jäh den Geruch nach Salzwasser auf, den Duft frisch gehackter Küchenkräuter aus den Kindheitserinnerungen …
    Er trifft auf eine Oberfläche, die feucht unter seinem Gewicht nachgibt. Wasser drückt sich aus dem Boden und tränkt seine Kleidung. Er bläst etwas, das bitter und schwarz schmeckt, aus seinem Mund. Dreht den Kopf leicht, sodass er atmen kann. Verständnis holt die sensorischen Eindrücke von gerade eben ein.
    Er liegt lang ausgestreckt in einem Sumpf, ihm ist kalt, und er klammert sich an einen einzelnen Steinbrocken.
    Oh, ja …
    Etwas stolziert über seinen Kopf wie die Finger einer Hand. Er weiß sogleich, was es ist, schlägt mit instinktivem Ekel um sich und schleudert den weichen Leib davon. Beharrlich windet es sich jetzt unter seinem Körper, irgendwo unter seinen Rippen, strampelt voller Panik – Scheiße! Scheiße! –, und dann die heißen Schnitte von Kieferknochen durch sein Hemd und in sein Fleisch, nachdem er sich zu spät herumgewälzt hat. Ein federleichter Stupser an seinem Hals, weitere weiche, forschende
Finger. Er wischt die Berührung davon, kommt verzweifelt auf die Knie hoch. Überall Spinnweben, sie kleben ihm an den Armen, dick auf dem Sumpfgras rings um ihn her wie endlose Meter verrottenden grauen Musselins, er ist im Fraßgang, er ist genau auf dem verfluchten Ding gelandet.
    Stolpernd kommt er auf die Füße und sieht sich keuchend um.
    Reißt das Schwert herunter, die Scheide, den Mantel. Wirft alles weg.
    Wischt brutal an sich herum. Sumpfspinnen leben in Gemeinschaft, verteidigen wild ihr Territorium und erreichen, wenn man Pech hat, bis zu einem Fuß Durchmesser. Ein paar Bisse einer großen Spinne reichen gewöhnlich aus, einen erwachsenen Mann zu erledigen. Ringil dreht sich angespannt einmal um die eigene Achse, ihm ist schwindelig, und er kämpft ums Gleichgewicht, während er die Füße versetzt und in den schlüpfrigen, federnden Boden und den Eiter einsinkt. Der Biss in seinem Bauch schmerzt wie eine Verbrennung. Er spürt das Gift langsam, heiß, unter der Haut entlangkriechen. Er sieht in dem schlechten Licht genau hin, wünscht sich eine Fackel. Glaubt, inmitten des rauen Spinnengewebes und des Sumpfgrases eine Bewegung zu entdecken, ist sich jedoch nicht sicher.
    Mühsam kommt er wieder zu Atem.
    Die Spinne, die ihn gebissen hat, liegt halb zerquetscht von seinem Gewicht ihm zu Füßen und streckt sich schwach. Sie ist groß wie der Kopf eines Mannes. Mehrere Sekunden lang starrt er sie benommen an, dann trampelt er in einem Anfall von Wut darauf herum, bis sie tot ist.
    Mehr Energie kann er nicht aufbringen. Er steht schwankend da. Das Gift kriecht noch etwas weiter in seinen Bauch hinein, breitet sich anscheinend aus. Er reibt reflexhaft an der Wunde
und wünscht sich dann, er hätte es nicht getan. Ätzende Säure brennt unter seiner Haut.
    Der Sumpf erstreckt sich konturlos bis zum Horizont. Dickes, von Spinnweben bedecktes Gras in alle Richtungen, und ein eisiger Wind, der ihm in die Ohren schneidet.
    Prächtig. Einfach beschissen prächtig.
    Er sucht sich behutsam seinen Weg zu Schwert und Mantel, hebt beides nacheinander vorsichtig auf und mustert die Sachen von oben bis unten. Aus den Falten des Mantels schüttelt er drei mehr als faustgroße Spinnen heraus, entdeckt eine weitere, die über die Scheide krabbelt, und schnippt sie weg. Bleibt einen Moment stehen, um sicher zu gehen, dass sie alle davonhuschen. Dann legt er sich den Mantel um die Schultern – kämpft gegen den Wind, der ihm den Stoff entreißen will – und schließt ihn, hängt den Rabenfreund wieder über den Rücken und starrt trotzig umher.
    Er meint, dass die Spinnweben links von ihm etwas dünner aussehen.
    Er macht sich auf den Weg.
    Hinter ihm liegt der zurückgelassene Steinbrocken, umringt von schwarzem Wasser, und bietet seine Worte dem leeren Himmel dar.
    … die Schlüssel einer Stadt größer als …
     
    Es mochte das Gift sein

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