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Das kalte Schwert

Das kalte Schwert

Titel: Das kalte Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Morgan
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hat?«
    »Es ist besser, ihn nicht beim Namen zu nennen«, erwiderte der Steuermann düster. »Besser, jene Silben hier nicht laut auszusprechen.«
    Archeth verdrehte die Augen.
    »Ja – uns kann hier nichts so leicht erschrecken«, sagte Jhiral. »Also, bitte.«
    »Nennen wir ihn dann einfach den Wechselbalg der Illwrack, denn das war jener aldrainische Klan, der ihn in den grauen Orten großgezogen hat. Mitgenommen aus einem bescheidenen Heim auf dem Marsch nach dem dunklen Glimmer, den die Dwendas bei den Menschen so hoch schätzen, wurde er als aldrainischer Krieger aufgezogen und erhielt schließlich das Kommando über eine Legion Dwendas, stieg dann zu …«
    »Weißt du.« Jhiral zeigte jetzt Anzeichen echter Gereiztheit. »Ich habe diesen Mist von den bescheidenen Anfängen schon öfter gehört, Steuermann. Komisch, dass niemand auf ein lebendes Beispiel zeigen kann, nicht wahr? Komisch, dass sie am Ende allesamt legendär und tot sind.«
    Anasharal hielt geziert inne. »Oh, der Wechselbalg der Illwrack ist anders, erhabene Lichtgestalt. Weit davon entfernt.«

    Schweigen. Vielleicht waren es die Kühle, die langsam mit dem Nachmittag kam, und die Brise, die vom Fluss herüberwehte, aber Archeth spürte einen leisen Schauder über ihre Schulterblätter kriechen. Sie warf einen Blick auf Jhiral, der schwer seufzte und seine manikürten Fingernägel musterte. Sie durchschaute sein Imponiergehabe. Imperator oder nicht, Jhiral war mit solchen Geschichten aufgewachsen wie jedes andere Kind. Seine Stimme, als er das Wort ergriff, konnte eine winzige, gezügelte Anspannung nicht völlig verbergen.
    »Und … was soll das genau heißen?«
    »Genau das, was es heißt«, erwiderte der Steuermann höflich. »Als die Kiriath in den letzten Stadien des Kriegs der Dämmerung Hannais Mhen vernichteten, stand der wahnsinnige Wechselbalg an der Spitze der aldrainischen Streitkräfte und ihrer menschlichen Verbündeten. Aber er wurde verraten – einige sagen, von einer Geliebten, andere behaupten, es sei eine diplomatische List der Kiriath gewesen. Vielleicht am Ende beides. Wie dem auch sei, als er den Verrat entdeckte, heißt es, habe er vor Wut und Trauer einen Krampfanfall erlitten und wurde für tot gehalten. Die Streitkräfte der Dwendas haben sich mit seinem Leichnam zurückgezogen und sind in den grauen Orten verschwunden.«
    »Aber er war nicht tot.« Jhiral beugte sich gegen seinen Willen vor.
    »Nein. Die Dwendas waren in Auflösung begriffen, sie missverstanden anscheinend die Lage. Aber eine kleine Gruppe seiner menschlichen Unterstützer trugen den Leib weg und bestatteten ihn auf einem Inselchen im nördlichen Ozean.«
    »Die hironischen Inseln?«
    »Weiter nordwestlich als die hironischen Inseln. Aber die Insel ist jedenfalls nicht auf deinen Karten verzeichnet.«

    Jhiral knurrte. »Wie praktisch.«
    »In der Geschichte heißt es, dass der aldrainische Geliebte des Wechselbalgs später insgeheim das Grab aufsuchte, ihn jedoch nicht erwecken konnte. Daher ist er …«
    »Er?« Der Imperator schürzte die Lippen. »Er?«
    »Oder sie«, gab Anasharal zu. »Im Hinblick auf die genaue Identität ist die Geschichte unklar, nur dass es ein Mitglied des Klans Illwrack war. Wie dem auch sei, dieser Geliebte warf einen Zauber um die ganze Insel und versetzte sie in die aldrainischen Sümpfe. Aber die Magie war eilig und unvollständig, und es heißt, die Insel tauche von Zeit zu Zeit auf und stehe wieder fest im Ozean, obwohl erhellt von Elmsfeuer und manchmal nur für Momente.«
    »Davon habe ich gelesen«, sagte Archeth langsam. »Die Geisterinsel, das letzte Glied der Kette.«
    Jhiral sah sie an. »Wirklich?«
    »Ja, es ist eine Legende des hironischen Volks, aber in Trelayne existieren ebenfalls einige Versionen davon. Seemannsgarn – eine unverzeichnete Insel jenseits der letzten hironischen Inselkette; Schiffe sichten sie inmitten eines Sturms, Elmsfeuer in Blau, im einen Augenblick da, im nächsten verschwunden.« Sie wedelte hilflos mit der Hand. »Es ist eine Legende, wisst Ihr. Ich bin immer davon ausgegangen …«
    »Eben.« Der Imperator richtete seinen Blick wieder auf den Steuermann. »Willst du mir etwa sagen, dass wir einen Besuch von diesem untoten Wechselbalg zu erwarten haben?«
    »Du hattest doch vor kurzem ein paar Probleme mit den Aldrainern, nicht wahr?«
    Archeth und der Imperator wechselten einen raschen Blick. Die Invasion der Dwendas in Ennishmin war ein wohl gehütetes Geheimnis.

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