Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das kalte Schwert

Das kalte Schwert

Titel: Das kalte Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Morgan
Vom Netzwerk:
Gedächtnis sei fehlerhaft, hoffnungslos verzerrt durch ihre Angewohnheit, lange Perioden in den Sphären der nicht verwirklichten Möglichkeiten zu leben; und andere glaubten, dass in den Kriegen die Zeit selbst irgendwie in sich zusammengestürzt
sei, sich zusammengefaltet habe oder vielleicht einfach in Fetzen gegangen sei, sodass die Vergangenheit, welche die Dwendas für sich in Anspruch nahmen, genau genommen nicht einmal zu dieser Version der Welt gehörte.
    Aber solche Debatten waren bestenfalls akademisch – die Kriege hatten die Mauern geschwächt, die solche Orte von der unbeschatteten Welt fernhielten, und die Aldrainer waren nicht geneigt, mit der vorhandenen Bevölkerung in Ländern zu diskutieren, die sie nach uraltem Recht als ihr eigen betrachteten.
    Sie nahmen die Erde im Sturm und bauten, kurz gesagt, dort an einem Reich, das siebentausend Jahre währte. Viele, auch die Menschen, die sie beherrschten, nannten es das glorreiche.
    Sie brachten die Magie als Lebensweise mit, sie streuten sie über den Planeten aus wie Samen.
    Sie schlichen wie absolute Monarchen in der Nacht umher – und erschufen eine harte menschliche Oligarchie, die ihnen dienen sollte, wo und wann immer das Licht der verwirklichten Sonne zu heftig brannte, als dass sie es hätten ertragen können. Eine Dynastie von Königen, ausgestattet mit dunklen Kräften, eine Ahnenreihe menschlicher Zauberer, mit denen sie sich paarten und ihr Erbe teilten – bis zu einem Ausmaß, wie ein solches Erbe überhaupt mit so gewöhnlichen Menschen geteilt werden konnte.
    Die meisten der dunklen Könige waren wahnsinnig.
    Die Feinde der Dwendas benötigten die gesamten siebentausend Jahre, bis sie die neuen Regeln erlernt hatten – die neue Magie gemeistert hatten, sie ihrem Willen beugen konnten, wie es die Dwendas vor so langer Zeit getan hatten.
    Siebentausend Jahre, um die Kiriath durch die verborgenen Tore in den Eingeweiden der Erde heranzuschaffen, eine Wissenschaft hervorzurufen und ein Volk, das dem unheimlichen Volk ebenbürtig war, das sich ihm im Kampf stellen und ihre Städte in den Sumpf und in
die Zerstörung zurückwerfen, ihre Armeen und ihre menschlichen Hörigen zerstreuen konnte. Ein gerüttelt Maß an geistiger Gesundheit in die Welt zurückbringen konnte.
    Die letzten der dunklen Könige besiegen konnte.
     
    Der Steuermann verfiel in Schweigen.
    »Ich habe gedacht…«, setzte Archeth an und schüttelte dann den Kopf. »Spielt keine Rolle.«
    Aber der Docht des Argwohns schwelte nach wie vor in ihrem Kopf. Es existierten viele Geschichten darüber, wie und warum ihr Volk in der Welt eingetroffen war, und die meisten der von den Menschen erzählten hatten auch nicht die geringste Ähnlichkeit mit den Tatsachen. In dieser Hinsicht waren sogar die Legenden, welche die Kiriath selbst über die Ankunft erzählten, sprunghaft und kaum glaubwürdig. Aber Angfal, der an der Wand ihres Arbeitszimmers hing wie die Eingeweide eines Fremdwesens mit knollenförmig geschwollenen Gliedmaßen, hatte sich stets geringschätzig geäußert.
    Die Kiriath haben die Reise über die schnellen Pfade hierher selbst kaum überlebt, hatte er ihr mürrisch in einer Nacht erzählt, als sie mit der Brechstange ein paar Antworten aus ihm herausholen wollte. Sie sind nicht freiwillig hergekommen, Archeth, auch wenn die Chroniken Gegenteiliges behaupten. Sie sind hier gestrandet, und wenn sie blieben, so war es nicht, weil ihnen die Umgebung gefiel. Es war, weil sie Angst hatten, dass die Rückkehr sie vernichten würde.
    Einiges davon führte sie auf seine Verbitterung zurück – den Groll, den Angfal verspürte, weil er zurückgelassen worden war. Aber sie hielt Anasharals Version immer noch für leicht überdreht.
    Der Imperator hatte auf einer der Granitbänke neben dem Balkon Platz genommen, um nicht dem Schein der Sonne ausgesetzt
zu sein. Sein Gesicht lag im Schatten, das reichlich geölte Haar hing nach vorn und versperrte den Blick auf seine Züge, aber sie las seine Ungeduld an der Sitzhaltung ab, dem zur Seite geneigten Kopf. Sie fragte sich, ob sie ihn an einem Besuch seines Harems gehindert hatte – ob die Beaufsichtigung der Exekutionen in ihm ein quälendes Verlangen ausgelöst hatte, etwas zu ficken.
    Er wischte sich unsichtbaren Staub vom Schoß.
    »Du, äh, willst uns tatsächlich etwas über diesen letzten dunklen König erzählen? Seinen Namen, zum Beispiel? Wer er war, was er getan hat? Was das mit dem Hier und Jetzt zu tun

Weitere Kostenlose Bücher