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Das kalte Schwert

Das kalte Schwert

Titel: Das kalte Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Morgan
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dein Vater trotz aller Grausamkeiten und Indiskretionen ein großer Schild in schweren Zeiten gewesen ist. Du weißt nicht, wie es damals in den Zwanzigern war. Wir hatten damals nicht das schuppige Volk, das uns einte. Yhelteth war ein verachteter Feind …
    Ja — genau in die Richtung geht es heute auch wieder.
    Aber sie hört ihm anscheinend nicht zu. Die Scharmützel an den Grenzen gingen jahrelang hin und her, Gil, alle paar Wochen kamen Nachrichten von einer Stadt, die in Schutt und Asche gelegt und deren Bevölkerung in Ketten davongeführt worden war. Und wir waren gezeichnet. Da war es gleich, dass wir ehrliche Kaufleute mit Reichtum in unseren Truhen und einer Generation besonnener Ehebündnisse waren. Wir hatten trotzdem die rote Farbe an unserer Tür, trotzdem war uns das Kanzleramt versperrt. Auf der Straße bewarf man uns mit Steinen, die Gassenjungen bespuckten uns ungestraft. Südlicher Abschaum, südlicher Abschaum. In den Schulen,
die wir besuchten, schlugen die Priester meine Brüder bei jeder Gelegenheit. Einer von denen schleuderte Eldrin einmal zu Boden, nannte ihn einen yheltethischen Welpen, trat ihn von seinem Schreibpult zur Tür und hinaus in den Korridor. Er war fünf. Er kam grün und blau geschlagen heim, und mein Vater, beschämt, konnte nichts dagegen tun. Stattdessen ging meine Mutter bei den Priestern betteln, und die Schläge hörten eine Weile lang auf, aber Zeit ihres Lebens hat sie später nie von diesem Besuch gesprochen. Weißt du, wie erleichtert meine Eltern an dem Tag aussahen, als ich Gingren Eskiath heiratete? Weißt du, wie glücklich ich für sie war?
    Waren sie glücklich wegen dir?
    Keine Antwort.
    Er sieht sich um und entdeckt, dass sie ihn gleichfalls verlassen hat.

20
    In einer Zeit vor dieser Zeit war die Erde nicht so, wie du sie jetzt siehst.
    In einer Zeit vor dieser Zeit war die Erde heimgesucht von einem endlosen Konflikt, den Rassen und Wesen ausfochten, an die du dich jetzt bloß noch in Mythen und Legenden erinnerst.
    Waffen von schrecklicher, unnatürlicher Macht wurden vom Zaum gelassen, gewaltige Energien tobten, und der Himmel selbst riss von einem Horizont zum anderen auf. Der Planet erzitterte unter dem Schritt der Besucher – sowohl Feinde als auch Verbündete, letztere voller Verzweiflung ausgewählt von Welten und Orten, die schlimmer als andere Welten waren. Sie sollten die Reihen gegen Invasoren halten, die wahrscheinlich am Ende keine Fremdwesen mehr waren.
    Ganze Nationen und Völker verschwanden in Stürmen, die Jahrzehnte währten.
    Gewaltige ausgefranste dunkle Dinger, größer als Berge, bewegten sich über den Nachthimmel, versperrten den Blick auf die Sterne und warfen tödliche Schatten auf jene unten.
    Tore öffneten sich an Orten, an denen keine irdische Passage jemals hätte erlaubt sein dürfen, und die Besucher ergossen sich dort heraus, trafen sich zur Schlacht, kamen heran und wichen zurück, wandten ihre fremdartigen Technologien in Fällen an, bei denen Zweifel gestattet sind, dass die daran Beteiligten sie jemals wahrlich verstehen
konnten. Es war ein Konflikt über menschliches Begreifen hinaus, und allein Menschen fanden sich in der Falle, in die Ecke gedrängt, von allen Seiten umzingelt durch das, was da vom Zaum gelassen war.
    Also kämpfte die Menschheit hoffnungslos, Generation um Generation, erduldete unvorstellbare Schrecken, änderte sich auf Ebenen, die einstmals als für sie wesenhaft galten, zersplitterte und wurde zu einem Dutzend verschiedener Rassen – als ob sich die Rasse, die einmal Mensch genannt wurde, nur durch Aufspaltung ausreichend vor dem raubtierhaft funkelnden Blick der fremdartigen Augen verbergen könnte.
    Und dann – aus Gründen, die nicht mehr gut bekannt sind – endeten die Kriege, und die Erde kreiste in relativem Frieden auf ihrer gewöhnlichen Bahn.
    Und jene, die geblieben waren, zankten sich um das, was noch vorhanden war.
     
    »Also nichts weiter Neues«, brummelte Jhiral, und Archeth sah ihn stumm und überrascht an.
    Eine kurzes und bedeutsames Schweigen, und dann ertönte wiederum Anasharals Stimme mit bissigem, schulmeisterhaftem Nachdruck:
    »In, diese, Leere …«
     
    In diese Leere fielen dann die Dwendas ein, die Aldrainer, das Hexenvolk, glitzernd dunkel und wunderschön, menschlich zumindest in ihrer grundlegenden Gestalt, und sie beanspruchten ein früheres Erbe, ein Besitztum der Erde, das weit vor den Konflikt zurückreichte – obwohl einige behaupteten, ihr

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