Das kalte Schwert
Albtraum, nie mit ihr; Manathan würde überall innerhalb des Bergfrieds von An-Monal mit einem sprechen. Sie wusste nicht, ob Angfal dadurch, dass er aus dem Feuerschiff herausgerissen worden war, das sie einst befehligt hatte, irgendwie in der Reichweite seines Bewusstseins gestutzt worden war, oder ob der Steuermann seine wahren Fähigkeiten verbarg. Aber sie war sich halbwegs sicher, dass Anasharal, ein Wesen, das persönliche
Einzelheiten aus den Köpfen von Männern pflücken konnte, mit denen es offensichtlich rein zufällig sprach, keine Schwierigkeiten hätte, einem Gespräch zu lauschen, das wenige hundert Schritte entfernt in den Schatten des inneren Gartens geführt wurde.
»Wenn es dort oben wirklich eine kiriathische Stadt gibt, Mylord …«
»Eine Stadt im Ozean?«
»An-Naranash im See Shaktan steht exakt genauso über dem Wasser.«
»Ja, das hat man mir gesagt. Und es ist verlassen.«
Ihre Stimmen wurden wieder hitziger. Archeth wich zurück und setzte sich auf einen hohen, krummen Baumstumpf direkt neben dem Pfad. Ihr Herz schlug rasch, ihre Sicht war verdunkelt. Die Gedanken huschten an den schimmernden, ausgefransten Rändern des Krinzanzentzugs hin und her.
Sie zwang sich zur Ruhe.
»Mylord, ob die Stadt verlassen ist oder nicht, ist kaum das Thema.«
»Nein, Archeth? Wirklich nicht?«
Er hatte sie ertappt – wie sehr sie auch versuchte, dieses Wissen zu unterdrücken. »Meine Sorge, Mylord …«
»… ist, dass du vielleicht noch einige der Rasse deines Vaters vorfinden könntest, welche die Welt nicht verlassen haben.« Jhiral seufzte und setzte sich neben sie auf den Stamm. Mit der Schulter stieß er sie an. Er starrte über den Pfad hinweg in das Laub gegenüber. »Ich nehme es dir nicht übel, Archeth. Wirklich nicht. Wer würde nicht gern manchmal seine Eltern zurückrufen? Aber dein Verlangen ist durchsichtig. Sei ehrlich! Mir gegenüber, wenn du es dir selbst gegenüber schon nicht sein kannst. Du solltest mein vertrauenswürdigster Ratgeber
sein. Kannst du mir – in aller Aufrichtigkeit – sagen, dass das eine Bedrohung für das Reich ist?«
Sie verzog das Gesicht.
»Ich habe Euch letzten Winter eine Warnung zukommen lassen, die fast ignoriert worden ist, und seht einmal, was dabei herauskam!«
»Ja, reib mir das unter die Nase, warum auch nicht.«
»Die Tatsache bleibt bestehen, Mylord.«
»Na gut, reite nicht darauf herum.« Jhiral lehnte sich zurück und sah hinauf in den Blätterbaldachin des Baums, als ob er zwischen den Zweigen einen Ausweg finden könnte. Er runzelte die Stirn. »Nach Ennishmin hast du gesagt, dass die Dwendas das helle Licht nicht mögen, dass sie wahrscheinlich die Sonne in diesen Breitengraden nicht vertragen.«
»Das habe ich nicht gesagt, Mylord. Das hat der Ritter Ringil Eskiath aus seiner Zeit unter ihnen geschlussfolgert. Es ist eine Hypothese, nichts weiter.«
Der junge Imperator nickte heftig. »Ja, aber trotzdem. Selbst in Ennishmin, wo die Sonne kaum durch die Wolken bricht, selbst unter dem Leichentuch des Winters ziehen die Dwendas es vor, des Nachts zu kämpfen.«
»Sie könnten auch hier nachts kämpfen.«
»Das war jedoch nicht, was dieser … Eskiath vermutet hatte, nicht wahr?«
Die meiste Zeit, die ich in den aldrainischen Sümpfen verbrachte, herrschte Dunkelheit oder Dämmerung, Zwielicht. Ringils zögerliche Theorie stieg in ihrer Erinnerung hoch. An einer Stelle stand so etwas wie eine Sonne am Himmel, aber sie war fast erloschen. Wie ein bleiches Gerippe ihrer selbst. Von dort stammen die Dwendas ursprünglich, was vielleicht erklärt, warum sie helles Licht nicht vertragen.
»Sie sind dennoch nach Khangset gekommen«, sagte sie starrsinnig. »Sie haben die Stadt in Stücke gerissen. Und falls man dem Steuermann glauben kann, ist der Wechselbalg der Illwrack überhaupt kein Dwenda. Er ist ein untoter menschlicher Magier, der aldrainische Kräfte anwendet. Wie wollt Ihr ohne Beistand so etwas aufhalten?«
»Dann glaubst du an diesen Wechselbalg der Illwrack? Sag mir die Wahrheit, Archeth! Hast du je von ihm gehört?«
»Nein, Mylord.«
»Dann …«
»Aber der Zeitpunkt sollte uns zu denken geben. Kaum ein Jahr nach unserem Scharmützel mit den Dwendas werden wir vor einer Eskalation des Konflikts gewarnt. Können wir es uns leisten, das als Zufall abzutun?«
»Ich sage dir, was wir uns nicht leisten können, Archeth. Wir können es uns nicht leisten, eine volle Marineexpedition mitten in den nördlichen
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