Das kalte Schwert
Ozean auszuschicken und darauf zu hoffen, dass sie auf das Hirngespinst einer wahnsinnigen Maschine trifft. Abgesehen von allem anderen liegt das auf der anderen Seite des Seegebiets der Liga. Wenn wir mit einer Streitmacht dort hinsegeln, kann das einen größeren diplomatischen Zwischenfall provozieren.«
»Wir befinden uns mit der Liga nicht im Krieg, Mylord.«
»Nein«, sagte der Imperator düster. »Noch nicht. Aber die Piraterie nördlich von Hinerion nimmt zu. Und ich habe aus bester Quelle von den Spionen der Admiralität in Trelayne erfahren, dass die Vereinigung der Reeder der Liga Druck ausübt, die Lizenz zum Kapern zu erneuern. Du weißt, was das bedeutet. Es beginnt immer auf dieselbe Weise.«
Es sei denn, wir beginnen dadurch, dass wir Streitkräfte nach Norden in Marsch setzen.
Sie unterdrückte den Gedanken. Sie hatte keine große Zuneigung zur Liga, hatte stets, wie das Volk ihres Vaters, geglaubt – vielleicht weil das Volk ihres Vaters es geglaubt hatte –, dass Yhelteth den besseren Weg beschritt.
Aber:
»Admiral Sangs … Spione … sind ganz und gar nicht zuverlässig.« Sie achtete sorgfältig auf ihre Worte. »Sie sind bekannt für ihre übertriebenen Darstellungen.«
»Wie der alte Mistkerl selbst. Ja, stimmt schon, Archeth, ich weiß, dass du ihn nicht magst.« Abrupt war Jhiral wieder auf den Beinen und schritt hin und her. »Aber ich habe die Berichte gelesen, und ich glaube, dass Sang hier nicht mächtig auf die Pauke haut. Schließlich haben wir so was schon früher erlebt. Diese kleinen Handelsscheißer da oben im Norden können sich einen Krieg gerade jetzt ebenso wenig leisten wie wir, und sie wissen es. Was sie jedoch nicht daran hindern wird, die Unannehmlichkeiten auf private Reeder abzuwälzen und dann den Zehnten einzusacken. Ihre Truhen füllen sich mit Beute aus imperialer Fracht, ihre Diplomaten schütteln traurig die Wieselhäupter und wissen natürlich von überhaupt nichts. Und in der Zwischenzeit, als hätten wir nicht schon genug zu tun unten in Demlarashan und oben in Ennishmin, müssen wir unsere Truhen plündern und Marinestützpunkte aufbauen oder das Risiko eingehen, unsere eigenen Handelsrouten an Wettbewerber aus der Liga zu verlieren.«
»Vielleicht möchte Admiral Sang einfach nur einige neue Kriegsschiffe haben.«
»Ich habe dir bereits gesagt, dass es meiner Ansicht nach nicht darum geht.« Ein Hauch von Groll lag jetzt in seiner Stimme.
»Abgesehen davon muss es eine ganze Reihe von Händlern der Liga an Land geben, die nichts vom Krieg wissen will. Die
Sklavenhändler, um nur diese zu nennen. Die Liga muss nicht unbedingt auf die Reeder hören. Sie …«
»Archeth, wirst du damit aufhören, Luftschlösser zu bauen!«
»Ich« – sie konnte die Worte nicht zurückhalten – »vertraue Sang etwa so weit, wie ich seinen fetten Arsch werfen kann. Er ist unzuverlässig.«
»Oh, und die verdammten Steuermänner sind zuverlässig, ja?«
Plötzlich stand er dicht vor ihr. Er krallte die Hände in ihre Schultern und bohrte die Daumen so kraftvoll ins Fleisch, dass die Sehnen an seinen Armen hervortraten. Sie wurde gewaltsam daran erinnert, dass Prinz Jhiral, der Thronfolger, mochte er auch nie etwas vom Krieg gegen das schuppige Volk oder von den früheren Feldzügen seines Vaters gesehen, tatsächlich in seinem ganzen Leben noch nie einen wütenden Schwertstreich geführt haben, doch seit seinem zwölften Lebensjahr auch nie einen Tag beim Zweikampftraining gefehlt hatte, außer wenn er krank gewesen war. Unter diesen ockerfarben und schwarz drapierten Schultern steckten jede Menge Muskeln, steckte jede Menge trainierte und kanalisierte Kraft.
Aber trotz Krinzanz-Entzugserscheinungen hätte sie ihm Bandschimmer rascher in die Kehle gestoßen, als er hätte blinzeln können.
Hätte …
Sie begegnete seinem Blick.
Vielleicht spürte er es. Er ließ sie los. Richtete sich auf.
»Archeth, du bist in An-Naranash gewesen. Du hast seinen Niedergang erlebt.« Seine Stimme war wieder königlich ruhig wie im Besprechungsraum. Er machte eine wegwerfende Geste, eine Handfläche nach oben. »Das ganze Geschwätz des Steuermanns, die Monate für die Durchquerung der Wüste, das ganze diplomatische Gerangel mit den Nautokraten in Shaktur, der
Tribut und die Bestechungen, und was haben wir letztlich dadurch erhalten? Ein Mausoleum auf Stelzen, seit Jahrhunderten verlassen, ohne irgendetwas von Wert.«
Sie hatte es nicht vergessen. Die langsam
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