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Das kalte Schwert

Das kalte Schwert

Titel: Das kalte Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Morgan
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absterbende Aufregung in ihren Eingeweiden, als sie sich An-Naranashs stummer, hoch aufragender Masse näherten und sie das Ausmaß des Verfalls erkannte. Die stechende, übelkeiterregende Enttäuschung, als sie eines der gewaltigen, von Rankenfüßern überkrusteten Beine erkletterte und das endlose, nach Feuchtigkeit riechende Treppenhaus hinaufstieg und in der hallenden Düsternis von Räumen herumschlich, die ebenso verlassen waren wie alles, was sie von An-Monal her kannte.
    »Die Ausrüstung dieser Expedition hat uns eine halbe Million Elementaler gekostet, Archeth. Alles, weil die Steuermänner gesagt haben, geht hin. Einer der größten Fehler, den mein Vater je begangen hat. Erwartest du wirklich von mir, ihm in seinen Fußstapfen zu folgen? Willst du das?«
    Darauf hatte sie keine Antwort.
    Weil du die Expedition Shaktur erzwungen hast, Archidi, und du weißt es. Es waren nicht die Steuermänner, nicht wirklich. Du hast aus Akal in seiner Melancholie des Sterbenden Mittel und Männer herausgekitzelt, die er sich im Durcheinander nach dem Krieg eigentlich nicht leisten konnte. Eine Geldbuße war es gewesen, der Versuch eines alten Mannes, zu sühnen – die unausgesprochene Abmachung, dass sie ihn nicht mehr mit den Geschichten davon quälen würde, was sie in Vanbyr gesehen hatte, wenn er die Expedition unterstützte und ihr das Kommando übergab. Dass sie ihm, auf eine unklare Art und Weise, Absolution erteilen würde.
    Merkwürdig, wie man der Gott eines Mannes werden konnte, ohne es zu bemerken.
    Akal war vor ihrer Rückkehr gestorben. Vermutlich nicht das
Schlechteste – bei ihrer Rückkehr war sie wirklich nicht in der Stimmung für eine Absolution gewesen.
    »Archeth, sieh mal.« Akals Sohn, jetzt versöhnlich gestimmt, lehnte sich mit jener halbseidenen aristokratischen Schlampigkeit zurück, die er so gut beherrschte. »Ich will nicht sagen, dass wir das nicht ernst nehmen. Geh auf jeden Fall in die Bibliothek. Ich weiß, wie sehr du diesen klerikalen Mist liebst. Verfolge dieses Märchen vom Wechselbalg im Indirath M’nal. Sprich mit Angfal, wenn du etwas aus ihm herauskitzeln kannst. Aber komm wieder runter, um des Propheten willen! Geh dich betrinken, nimm Krin – verdammt, geh mit jemandem ins Bett, Archeth! Spiele mit dieser kurvenreichen kleinen Schlampe herum, die ich dir letztes Jahr geschenkt habe. Ich wette, die hast du bislang noch nicht angerührt, oder?«
    In gewisser Weise war sie fast erleichtert. Es war eine Seite von Jhiral, mit der sie leichter umgehen konnte, eine Rolle, die er seit seiner frühen Jugend gespielt hatte, ein Streich, gegen den sie sämtliche klugen Paraden und Riposten kannte, denn sie hatte sie seit Jahrzehnten ausgeführt. Eine Dekadenz, die man bequem verachten konnte.
    Aber sie fragte sich nicht zum ersten Mal, wogegen er sich damit abschottete.
    Vielleicht ist es kein Abschotten – vielleicht gefällt es ihm bloß verdammt gut. Vielleicht schwelgt er darin. Je daran gedacht?
    Ishgrim sprang ihr in den Sinn, helles Fleisch, das darum bettelte, von Händen umschlossen und gepackt zu werden. Lange, geschmeidige Glieder, in denen sich schwelgen ließ. Ich wette, die hast du bislang noch nicht angerührt, oder? Was für eine schlaue Wette, Mylord! Was für ein Spiel Jhiral mit ihr um Ishgrim auch spielen mochte, er gewann es mühelos.
    Sie erhob sich von dem gebogenen Baumstamm. Holte tief Luft.

    »Ich werde in die Bibliothek gehen, Mylord«, sagte sie.
    »Gut. Dann können wir es dabei belassen, glaube ich. Der Steuermann sollte …«
    »Falls ich da«, sagte Anasharal aus der leeren grünen duftenden Luft wie ein göttlicher Besuch, »vielleicht einen Einwand erheben dürfte.«
    Der Imperator aller Lande und die halb-unsterbliche Halb-Kiriatherin – ihre Blicke trafen sich wie die zweier Kinder, die eine fremde Stimme zum Essen hereinrief. Selbst Archeth, die ältere Schwester, die das halb erwartet hatte …
    Sie brachte ein Schulterzucken zustande, bemüht beiläufig.
    »Du hast uns belauscht?«
    »Du hast wahrlich ein Talent, das Offensichtliche festzustellen, Tochter des Flaradnam! Manathan hat davon gesprochen. Er führt es auf das befleckte Blut des Mischlings zurück. Aber merkwürdig genug ist es, dass du nach wie vor noch nicht die sehr offensichtliche Lösung gefunden hast, wie du aus der Sackgasse vor dir wieder herauskommst.«
    »Hier gibt es keine Sackgasse«, sagte Jhiral, der etwas königliche Geringschätzung aufbrachte.
    »Ich spreche

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