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Das kalte Schwert

Das kalte Schwert

Titel: Das kalte Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Morgan
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nicht mit dir, Jhiral Khimran.«
    Es war ein Affront, der jedem menschlichen Sprecher einen raschen und wahrscheinlich tödlichen Ausflug in die Kerker des Palasts eingebracht hätte. Doch die Steuermänner – na ja, über die Jahrhunderte hatte die khimransche Dynastie gelernt, sich anzupassen. Man beißt nicht die Hand, die einen mit Macht füttert, denn sie mochte unter der weltmännischen, gönnerhaften Oberfläche durchaus dämonische Krallen aufweisen.
    »Vielleicht erklärst du das besser«, sagte Archeth hastig. »Welche Sackgasse?«
    »Die Sackgasse, die du vor dir siehst, Tochter des Flaradnam,
wenn du mit deiner Lektüre fertig bist und zu deiner Zufriedenheit erkannt hast, dass eine Suchexpedition nach An-Kirilnar tatsächlich nötig ist, und du dich immer noch denselben Restriktionen seitens dieses stotternden armseligen Imperators wegen einer erschöpften imperialen Truhe gegenüber siehst.«
    »Ja, vielleicht kannst du uns einfach den Weg zu einem Topf Gold weisen«, sagte Jhiral höhnisch.
    Wiederum dieses Schweigen, das Archeth allmählich als Tadel zu interpretieren lernte. Dann der eisige schulmeisterliche Tonfall.
    »Genau genommen, Jhiral Khimran, werde ich exakt dies tun. Also würde es sich wiederum für dich geziemen, deinen Anspruch auf eine Behandlung wie im Thronsaal zu unterdrücken und genau zuzuhören, was ich zu sagen habe.«

21
    Unbestimmte Zeit später, nach wie vor allein, jedoch alles in allem noch unter dem Eindruck des Geistes, der behauptet hatte, seine Mutter zu sein, stolpert er über einen gepflasterten Pfad durch den Sumpf.
    Es gibt nicht viel zu sehen – zerkratzte und abgewetzte weiße Steine, schlammig-schwarz gemasert, bestenfalls ein paar Fuß breit, fast überwuchert vom Sumpfgras, das, lange nicht mehr zurückgeschnitten, am Rand und zwischen den Pflastersteinen hoch wächst. Er schiebt ein Büschel mit einem Stiefel zurück und untersucht neugierig die Pflasterung. Sie sieht ziemlich genauso aus wie die der Wege durch die Niederungen in Trelayne, die unter anderem zu den Toren seines Hauses zurückführen – oder vielmehr so, wie diese in tausend Jahren aussehen würde.
    Ohne Ishils Anweisung hätte er den Pfad leicht verfehlen können.
    Er blickt nach links und rechts, zuckt die Achseln und schlägt die Richtung ein, die näher an den Feuerschein am Himmel vor ihm heranführt. Fast unbemerkt schmilzt in ihm ein winziges Bruchstück der Zufriedenheit und tröpfelt herab. Das Gehen fällt jetzt leichter, der Boden gibt nicht mehr bei jedem Schritt unter ihm nach. Der Stein klingt solide unter seinen Sohlen, und er kann den Fuß fest aufsetzen, und obwohl die Spinnweben
hin und wieder von beiden Seiten hereinwehen, berühren sie einander nie und kreuzen auch nicht den Pfad.
    Stattdessen findet er schließlich Schädel.
    Dutzende grinsende Schädel, vielleicht Hunderte, zu beiden Seiten des Pfads über den Sumpf verstreut. Alle Schädel stehen aufrecht auf niedrigen Baumstümpfen, deren Holz grau und vom Alter zersplittert ist. Einhundert und mehr Augenhöhlen auf gleicher Höhe, durch die der kalte Wind bläst und die den Horizont überwachen. Aber wegen dieses strengen, wachenden Blicks aus den Augenhöhlen könnten sie originelle Steinmännchen sein, errichtet für die Toten eines längst vergessenen Schlachtfelds, für die gefallenen Krieger einer Rasse, die lieber keine kalten Steine auf die Gesichter ihrer lieben Verstorbenen häufen wollte.
    Aber es sind keine Steinmännchen.
    Ringil geht widerstrebend langsamer und bleibt an einer Stelle stehen, wo ein Schädel wenige Schritte links vom Pfad liegt. Er hat noch Haar, eine Kaskade langer toter grauer Strähnen, die über dem Schädel und einem Auge kleben, wie magisch geglättete Spinnweben. Er hockt sich hin und streicht das Haar beiseite, berührt den Knochen darunter, drückt sanft gegen eine vergilbte Schläfe. Sie gibt nicht nach. Der Schädel ist an dem Stumpf festzementiert, ebenso wie es der noch lebende Kopf des Besitzers war. Er hat es früher schon gesehen, es ist aldrainische Magie; eine Lieblingstaktik des Schreckens des verschwundenen Volks, wenn Menschen ihm trotzen wollten. Seethlaw hat ihm einmal erzählt, dass die Köpfe unendlich lang leben würden, vorausgesetzt, die Wurzeln der Stümpfe würden Wasser ziehen.
    Was das hier zum Ergebnis einer längst vergangenen Dürre macht oder einer verstrichenen Zeitspanne von solchen Ausmaßen,
dass Ringil davor zurückschreckt, auch nur einen

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