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Das kalte Schwert

Das kalte Schwert

Titel: Das kalte Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Morgan
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mit seinen Ziergirlanden aus altem Myrlisch. Er steht auf und starrt über die heißen Funken und die wabernde Luft über dem Feuer hinweg. Und ein Krieger zu Fuß, wie es aussieht. Tretet heran, Sir! Wir legen keinen Wert auf Etikette am Hof von Hjel, dem Habenichts.
    Blitzschnelle Bilder: Unter Segeltuch, gelb wie Pergament vom Feuerschein draußen, legt Hjel diese langen, geschmeidigen Finger um Gils Schwanz und lässt die Zungenspitze …
    So viel weiß ich. Erkennst du mich nicht, Lumpenprinz?
    Hjel stützt die Hände auf die Hüften und neigt bei der vertrauten Anrede leicht den Kopf. Dich erkennen? Dazu müsste ich dich im Licht sehen.
    Ein Dutzend Augenpaare vom Feuer liegt auf ihm – die Gestalten auf dieser Seite sind beiseitegerutscht, um ihn anzusehen. Ringil gehorcht, tritt einige Schritte vor und zeigt dabei aus Gründen der Höflichkeit deutlich erkennbar die Hände. Die Versuchung, eine Pirouette zu drehen, ist ein überwältigender Juckreiz in seinem – jetzt merkwürdig schmerzlosen – Bauch. Jäh, wie aus dem Nichts, steht er am Rand eines Gelächters.

    Der Mandolinenspieler kommt ums Feuer, sucht sich seinen Weg zwischen den sitzenden Gefährten mit schmalhüftiger, langbeiniger Grazie. Auf seinem Gesicht sind Stoppeln, und dort die winzige Narbe an seinem Kinn, die er reibt, wenn er neugierig ist. Er schlendert heran und vollführt einen Halbkreis um Ringil herum, sorgfältig außer Reichweite der Klinge. Verschränkt die Arme über dem Brustkasten, als wollte er sich selbst umarmen.
    Hebt eine Hand und reibt sich die Narbe.
    Schüttelt den Kopf.
    Nein. An dieses Gesicht erinnere ich mich nicht. Dieses große Schwert. Ich kenne dich nicht, mein Freund.
    Ringil lächelt. Aber ich kenne dich.
    Na ja, gestrandet, wie wir sind, an den grauen Grenzen der Welt, würde jeder frierende Geist, der auf einen Platz am Feuer hofft, dasselbe sagen. Aber die Augen unter der Hutkrempe tanzen vor Neugier und wilder Boshaftigkeit, an die Ringil sich gut erinnern kann. Überzeuge mich.
    Ringil hebt eine Hand, krümmt Daumen und kleinen Finger, wie es ihn gelehrt wurde. Worte aus dem Ikinri ’ska brodeln hinter seinen Lippen. Er lässt ein paar los – harte, geflüsterte Silben, die in ihrem Kielwasser kleine Taschen eisiger Luft hinterlassen. Am Feuer stellte einer der Hunde die Ohren auf und sieht ihn seltsam an. Später werden einige schwören, sie hätten eine dunkle Welle gesehen, die über den uralten Platz mit den zersprungenen Steinen gelaufen ist. Und Schatten zucken am Rand des Feuers.
    Das Lächeln fällt aus Hjels Gesicht.
    Wer hat dich das gelehrt?
    Du selbst.
    Jetzt springt Hjels Unruhe auf die Männer und Frauen ums
Feuer über. Vielleicht spüren sie auf einer animalischen Ebene dieselbe Berührung wie die Hunde. Oder vielleicht ist es nur deshalb, weil ihr Anführer so abrupt ernst geworden ist.
    Das Ikinri ’ska ist keine Sammlung von Tricks für eine billige Beschwörung, sagt Hjel leise. Einen Scharlatan hätte ich es nicht gelehrt.
    Du hast darum gebeten, überzeugt zu werden.
    Ich bin nicht überzeugt.
    Na schön. In deinem Zelt bewahrst du die weiße Marmorfigurine einer Frau mit einem Riss durch den Kopf auf. Etwa von dieser Größe, sehr schön, anscheinend sehr alt. Du hast sie als Junge im Sumpf gefunden. Du hast dich von der Karawane deines Onkels entfernt und dich verlaufen. Ein seltsamer bleicher Wolf hat dich offenbar verfolgt, aber als du …
    Genug. Hjel schluckt. Du kommst aus meiner Zukunft, um mir meine Vergangenheit zu erzählen. Du ziehst dunkle Echos nach wie ein Fischernetz. Was bist du wirklich?
    Ich bin hungrig. Und mir ist kalt. Beim letzten Mal war deine Gastfreundschaft nicht so zurückhaltend, Lumpenprinz.
    Wenn du es sagst.
    Jeder frierende Geist, der auf einen Platz am Feuer hofft, würde dasselbe sagen. Ja. Ringil zuckt die Achseln. Du bist ein Magier, das hast du mir einmal gesagt. Ein Meister des Ikinri ’ska. Also. Mein Name ist Ringil Eskiath. Schau mir in die Augen und sage mir, ob du dort einen Geist siehst.
    Er wartet.
    Es dauert einen Moment, und bevor Hjel seinem Blick begegnet, flackern die Augen des Magiers nach rechts und links, als wäre Ringil mit einer Ehrengarde in seinem Rücken erschienen. Aber schließlich schaut er hin, und was auch immer er in den Augen seines Besuchers sieht oder nicht, er äußert sich lieber
nicht dazu. Stattdessen nickt er leicht wie ein Mann, der eine schlechte Nachricht akzeptiert, die er seit langem erwartet

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