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Das kalte Schwert

Das kalte Schwert

Titel: Das kalte Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Morgan
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aufstand. »Komm schon, Mann. Das musst du nicht tun.«

    »Ich glaube, wir tun’s, wirklich.«
    Aber er spürte bereits, dass ihm seine Entschlusskraft abhanden kam. Die Rangelei war zu rasch gekommen und gegangen, um die Kampfeswut in ihm zu entfachen, und jetzt fühlte es sich schmutzig und sinnlos an.
    Harath trat einen Schritt vor, die Hände ausgestreckt und um gleichmäßiges Atmen bemüht. »Komm schon, Bruder! Er ist ein Freund.«
    »Er ist nicht mein verfluchter Freund.« Egar seufzte und schob Elkret von sich weg, praktisch in Haraths Arme. »Schön, Bruder. Es ist dein Gesicht, das er gesehen hat. Tu, was dir gefällt.«
    Harath konnte Elkret nicht auffangen und ließ ihn an sich vorbeigleiten. Der verwundete Ishlinak fiel auf die Knie, wobei der gesunde Arm ebenso schlaff herabhing wie der verletzte. Er starrte auf Alnarhs Leichnam hinab.
    »Was hast du getan, verdammt, Mann!«, murmelte er. »Was hast du getan, verdammt?«
    Es war nicht sofort klar, mit wem er sprach. Aber zumindest Alnarh würde keine Antwort geben – Harath hatte seinem alten Kameraden mit der Stablanze die Kehle eingedrückt, und der Schaft lag noch immer über dem Hals des Leichnams. Die Augen waren aus den Höhlen getreten, und die aufgequollene Zunge hing heraus. Im flackernden Schein der Laternen verlieh dies dem Gesicht des Ishlinak den komisch-grässlichen Ausdruck einer Teufelsmaske aus Shaktur.
    »Wir verschwinden besser von hier«, brummelte Harath.
    »Oh, nein. Wir sind aus einem bestimmten Grund hergekommen.« Egar nickte zur Tür hin. »Mach auf! Einer von ihnen hat die Schlüssel.«
    »Harath, was hast du getan, verdammt?«
    »Sieh mal, wir haben viel Lärm veranstaltet. Sie …«

    »Das ist das zweite Mal, das ich dich daran erinnern muss, wer hier für die Musik bezahlt, nicht? Such die verfluchten Schlüssel!«
    Harath fuhr zusammen. Aber er machte sich daran, Alnarhs Leichnam abzuklopfen. Egar sah ihm einen Moment lang zu, dann durchsuchte er den Mann, den er erstochen hatte.
    Der Ishlinak war auf dem staubigen Fußboden ausgeblutet, und die ausgeströmte Flüssigkeit sah aus wie eine reglose Pfütze auf einer mitternächtlichen Straße, in die der tote Mann von einem scheuenden Pferd gefallen war. Egar hockte sich hin, suchte die Kleidung nach den Schlüsseln ab und sah dabei verschwommen die Bewegung seines Kopfs und seiner Schulter im Blut gespiegelt. Einen leicht verwirrenden Augenblick lang war es, als würde etwas Schlammiges unten in der Pfütze zu ihm aufstarren.
    »… hast du getan, verdammt, Harath …«
    »Halt einfach den Mund!«, zischte Harath, dessen Enttäuschung und Schuldgefühl sich zu Ärger verbanden. »Du bist am Leben, verdammt, nicht wahr? Das ist der verfluchte Drachentöter da drüben. Du weißt, wie nahe er daran war, dir die beschissene Kehle aufzuschlitzen wie einem Stück Vieh? Hab ihn gefunden! Hier ist der blöde Schlüssel.«
    Egar löste sich von dem Blick auf sein anderes, im Blut versunkenes Ich. Stand mit einem Gefühl von der schwarzen Lache auf, das geradezu unheimlich an Erleichterung grenzte. Wandte sich den anderen zu.
    Elkret kniete noch immer dort, wo sie ihn zurückgelassen hatten, wie einer dieser halbverrückten Büßer, die man manchmal draußen vor dem Safrantor sah. Harath neben ihm hielt einen verzierten Eisenschlüssel hoch. Er war nach wie vor etwas grün im Gesicht, brachte jedoch ein verstörtes Grinsen zustande.
    »In Ordnung?«

    »Also mach auf!«
    Elkret sah hoch, als er die Stimme des Drachentöters hörte. Sein Gesicht war vom Schock völlig leer.
    »Du verschwindest besser«, sagte er leise. »Bevor sie kommen.«
    Egar spürte ein unergründliches Frösteln im Nacken. Er sah sich in den Schatten des Gebäudes um. »Bevor wer kommt?«
    »Die Engel.«
    »Mich verfolgen keine Engel, mein Sohn. Ich bin nicht konvertiert.«
    »Ist egal«, erklärte ihm Elkret. »Sie sehen aus der Höhe zu. Rühre an, was ihres ist, und sie kommen. Das wurde uns versprochen. Wir sind alle als ihre Diener gezeichnet, von unserem Leiden werden wir erlöst.«
    Das klang wie aufgeschrieben, derselbe Scheiß, den sie hier unten alle meterweise abspulen konnten, um jede Situation zu vergolden, die der Tag zu bieten hatte. Egar hatte Imrana einmal gefragt, ob es einen Vers gab, der korrektes Scheißen betraf, und sie hatte nüchtern erwidert, ja, natürlich, für Waschungen gab es ebenso korrekte Rituale wie für alles andere auch. Er war sich nie so ganz sicher, ob sie ihn auf

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