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Das kalte Schwert

Das kalte Schwert

Titel: Das kalte Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Morgan
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hatte nachvollziehen können. Schäbiges Mobiliar, der Wein nicht der Rede wert, außerdem eine Kundschaft aus widerlichen jungen Männern, die alle ihren Mut beweisen wollten, wenn sie den Schweinefraß verschlungen und ein Pint in sich hineingeschüttet hatten. Einmal pro Nacht flogen auf jeden Fall die Fäuste, und eine Messerstecherei pro Woche war fast garantiert.
    Dennoch würde es nicht schaden, da mal vorbeizuschauen. Ein wenig früh am Tag für betrunkenes Sich-in-die-Brust-Werfen; es wäre noch ziemlich ruhig dort. Vielleicht könnte er nützlichen Klatsch aufschnappen, zum Beispiel, was gegenwärtig in der Stadt unten los wäre, ob es viel Arbeit für Freibeuter gäbe und an wen man sich deswegen zu wenden hätte. Zumindest bekäme er etwas zu essen.
    Irgendwann danach würde er sehen, ob er sich an den Weg zu Archeths Palast erinnerte.
    »Ringil Eskiath! He, du Held!«
    Einen Augenblick lang schien die Stimme fast vertraut – gewiss würde er ihre Besitzerin erkennen, wenn er sich umdrehte. Aber das grinsende Mädchen mit den grauen Zähnen, das dort am Kai an einem bauchigen, eselgroßen Weinfass lehnte, war nur in einer Hinsicht eine Bekannte. Er hatte sie zuvor schon in hundert anderen Städten gesehen; das schmutzige, eng geschnürte Mieder und der zerrissene rote Rock waren praktisch eine Uniform. Bemalte, abgekaute Fingernägel, gebräunte Arme, überladen mit Armreifen, klingelnde Reife um die Knöchel, bloße Füße, an denen der Staub klebte und die mit geschmolzenem Pech verschmiert waren. Sie fing seinen Blick auf und räkelte
sich für ihn, die Ellbogen gegen die Wölbung des Fasses gedrückt. Eine Hand rutschte hinab in die Lumpen des Rocks und schob ihn beiseite, sodass sich ein blasser Schenkel zeigte. Ein hölzerner Zahnstocher glitt von einer Seite des verrotteten Lächelns zur anderen, angehoben von einer herausschnellenden Zunge. Sie mochte gerade mal vierzehn sein.
    »Du kennst mich?«, fragte er achtsam.
    »Wer nicht, ehrbarer Herr? Sieger der Galgenschlucht, Retter der nördlichen Städte, Schlächter der Drachen in Demlarashan. Unser aller Schulden bei Euch sind noch nicht bezahlt.«
    »Es war bloß der eine Drache.«
    Sie überhörte den Einwurf, als wären ihre Worte Zeilen, die sie rezitieren müsste, und er wäre ein schlechter Mitspieler auf der Bühne, der seinen Text vergessen hatte.
    »Ich habe eine Botschaft für Euch, Drachentöter«, sagte sie.
    Er betrachtete sie von oben bis unten. »Nicht sehr wahrscheinlich.«
    »Man erwartet Euch am Tempel der Roten Freude. Verspätet Euch nicht. Dann wird sich alles klären.«
    »Ich fürchte, ich …«
    »Und Eure Freundin erwartet Euch da oben.« Sie zeigte an ihm vorbei in die Höhe.
    Es war ein so erprobter Trick der Helfer von Taschendieben und Straßenräubern allerorten, dass er bereits den Ärmel hochgeschoben hatte, um den Drachenzahndolch hervorzuholen, bevor er in die Richtung blickte, die sie wies. Er spürte, wie er sich bereits für den Kampf lockerte. Sich bereits auf den Begleiter des Mädchens und dessen erbärmliche Vorstellung freute, worin sie auch immer bestehen m…
    »Ringil! Ringil!«
    Archeths Stimme.

    In dem allgemeinen Lärm und dem Möwengeschrei auf dem Kai hätte er sie vielleicht gar nicht gehört, wenn sein Blick nicht zu ihr hingelenkt worden wäre. Er beschattete sich die Augen gegen das Sonnenlicht und entdeckte sie. Sie stand auf dem obersten Deck eines absurden schwimmenden Bordells, das mit seinen verschiedenen Stockwerken wie der größte aller Padrowtag-Kuchen aussah. Alles war sorgfältig lackiert, die Fenster der meisten unteren Decks wiesen tatsächlich Glas auf; einige davon waren Buntglasfenster in neun verschiedenen Schattierungen und verdammt teuer. Auf Höhe des Docks führte eine schicke kleine Landungsbrücke hinüber, mit kunstvoll geschnitztem Geländer in einem Stil, der schlecht zu den angeheuerten Soldaten passte, die mit ihren Hellebarden darauf standen. Er zählte vier, kräftig und ergraut, die den Passanten gelegentlich einen brutalen Schubs versetzten, wenn sie zu nahe heranwankten. Sie wirkten sehr fähig, also sollte man eine Auseinandersetzung mit ihnen besser vermeiden.
    »He, okay, Ringil, hör mal.« Archeth, hastig winkend. »Bleib einfach dort! Ich komm runter.«
    Sie verschwand, wie am Kragen von der Reling weggerissen. Er ertappte sich bei einem Grinsen der puren Freude, wie sie schon seit einer Ewigkeit nicht mehr in seinem Bauch gekitzelt hatte. Er wandte

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